Die europäische Entwicklungszusammenarbeit ist nur eine Akteurin, die es mit globalen Herausforderungen aufnimmt. Sie spielt allerdings eine entscheidende Rolle auf dem internationalen Parkett. So ist sie nicht nur größter Geldgeber globaler Entwicklungshilfe.
Die europäische Entwicklungszusammenarbeit arbeitet vielmehr an einem ganzheitlichen, politischen und wirtschaftlichen Ansatz, der Entwicklungsländer als Partner sieht. Seine Menschen sollen auf lange Sicht in Staaten zu leben, die Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit verkörpern und der Bevölkerung ein Leben in Würde ermöglichen. Sie muss auf globale Herausforderungen wie den Migrations- und Sicherheitsnexus reagieren und mit ihren Aufgaben wachsen, ohne jedoch ihr übergeordnetes Ziel aus den Augen zu verlieren: Die Armutsbekämpfung.
Die europäische Entwicklungszusammenarbeit stellt die Armutsbekämpfung in den Mittelpunkt. Sie hat sich zu diesem Zweck im Jahr 2000 den Millenniumszielen verschrieben und folgt nun den 2015 verabschiedeten Sustainable Development Goals (SDGs). Sie verfügt über beachtliche Mittel, d.h., sie ist mit über 50 Milliarden Euro jährlich der größte Geldgeber globaler Entwicklungshilfe. Entwicklungszusammenarbeit ist aber mehr als nur Entwicklungshilfe. Gute, aufeinander abgestimmte Politiken sind mindestens ebenso entscheidend, wie eine gute und nachhaltige Implementierung dieser Politiken.
Der lange Marsch durch die EU-Institutionen
Die Kooperation mit den Partnerländern ist eine Sache, aber auch die europäische Entwicklungszusammenarbeit selbst besteht aus unterschiedlichen Persönlichkeiten. Da wären die (noch) 28 Mitgliedsstaaten, die einzeln agieren, aber auch im Rat vertreten sind. Da wären die Kommission und das Europäische Parlament. Globale Herausforderungen und die Logik, nach der sie angegangen werden sollten, werden von den Akteuren, die zusammen die „europäische Entwicklungszusammenarbeit“ ausmachen, unterschiedlich bewertet.
Die globalen Herausforderungen und neue Dimensionen
Zu den globalen Herausforderungen zählen, neben etwa dem Klimawandel, vor allem auch Flucht und Migration. Es gibt Bestrebungen, Fluchtursachen zu bekämpfen, Menschen auf der Flucht zu schützen, Schleuser an ihren Machenschaften zu hindern und Migration in geordnete Bahnen zu lenken. Flucht und Migration sind nicht neu, sie haben aber eine neue Dimension erreicht, die sich auch in der Ausrichtung europäischer Politik widerspiegelt.
Migration als neuer Schwerpunkt
Im Juni 2016 hat die Kommission die neue Globale Strategie der Europäischen Union vorgestellt, ein Papier, das der Rat als Vertreter der Mitgliedsstaaten im Oktober angenommen hat. Der Leitfaden für die Außen- und Sicherheitspolitik der nächsten Jahre bezieht sich auch auf die Herausforderung einer effektiveren Migrationspolitik und schließt die Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe mit ein. Mit Ländern, aus denen besonders viele Migranten kommen oder die als Transitländer für Migration gelten, sollen gemeinsame Lösungen gefunden werden. Trust Funds sollen Flexibilität schaffen, um der Kommission die Möglichkeit zu geben, Projekte kurzfristig umzusetzen. Das sind Projekte, die auch die Nahrungssicherung, die Sicherung des Lebensunterhaltes, Gesundheit, die Unterbringung von Flüchtlingen betreffen, also nicht nur die Grenzsicherung.
Wir müssen abwägen, wie wir diese Projekte bewerten sollen. Sie können sinnvoll sein, weil sie Migration in geordnete Bahnen lenken und Elend vor Ort lindern. Wenn Grenzmanagement aber nur noch dazu dient, Menschen an der Flucht zu hindern, lehne ich sie ab.
Investition als Motor
Mit dem neuen Europäischen Investitionsplan und seinem Entwicklungsinstrument, dem Europäischen Fonds für nachhaltige Entwicklung (EFSD), einer Initiative, die gerade auf den Weg gebracht wird, sollen mit Hilfe von Entwicklungsgeldern Garantien finanziert werden. Investoren aus der Privatwirtschaft sollen dadurch auf Länder aufmerksam werden, in die ein Investment ansonsten zu risikoreich wäre. Damit verbunden sind technische Hilfe und Politikdialog mit den Partnerländern, aber auch eine Anlaufstelle für interessierte Investoren.
Investitionen sind notwendige Grundvoraussetzung für unsere Partnerländer, um wirtschaftlich eigenständig zu werden. Es sind langfristige Projekte, die sicher nicht darauf angelegt sind, kurzfristig Fluchtursachen zu stoppen. Für mich ist relevant, ob Investitionen vereinbar mit Sozial- und Umweltstandards sind. Ich setzte mich dafür ein, dass das Parlament ein Beobachterstatus in allen Gremien gestattet wird, in denen die Projekte entschieden werden. Der Investitionsplan ist dann eine gute Idee, wenn er anständige und nachhaltige Arbeit unterstützt und Firmeninteressen ausländischer Investoren dann ablehnt, wenn sie den Interessen der Bevölkerung entgegenstehen.
Stabilität und Frieden als Entwicklungsvoraussetzung
Noch schwieriger ist es mit folgendem Vorstoß: Stabilität und Frieden bedingen sich gegenseitig. Die Kommission schlägt deshalb vor, das 2014 eingeführte gleichnamige Instrument ( Instrument contributing to Stability and Peace, IcSP) zu erweitern und notfalls auch Militär und Sicherheitskräfte von Krisenstaaten zu unterstützen. Hier stellt sich die Frage, inwieweit dieser Vorstoß Entwicklung konterkariert oder ob ein solches Instrument in bestimmten, zu definierenden Fällen eine notwendige Unterstützung ist, um Entwicklung zu ermöglichen und Staaten zu stabilisieren.
Migrationspartnerschaftsabkommen als heiße Eisen
Und noch ein heißes Eisen: Die Migrationspartnerschaftsabkommen, die zunächst mit Mali, Niger, Nigeria, Senegal und Äthiopien geplant sind. Sie ermöglichen, dass abgelehnte Asylbewerber in ihre Heimatländer abgeschoben werden können. Wir müssen darauf achten, dass dennoch jeder Fall ernst genommen wird. Werden Migrationspartnerschaftsabkommen nach den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und mit Respekt auch für die individuelle Situation umgesetzt, führen sie zu mehr Akzeptanz von Flüchtlingen in Europa.
Der Teufel steckt im Detail
Die globalen Herausforderungen, die sich (unter anderem) der europäischen Entwicklungszusammenarbeit stellen, sind ausgesprochen komplex. Sie werden von verschiedenen Akteuren unterschiedlich angegangen. Für mich als Europaparlamentarier ist die Armutsbekämpfung das übergeordnete Ziel. Die Bekämpfung von Fluchtursachen muss diesem übergeordneten Ziel nicht entgegenstehen und ich lehne die neuen Strategien und Initiativen auch nicht grundsätzlich ab. Ich denke vielmehr, der Teufel steckt in der Umsetzung.