Lehren vom Globalen Fonds und Gavi

Um die Ziele der Agenda 2030 zu erfüllen, bedarf es nicht nur einer Erhöhung finanzieller Mittel, sondern vor allem neuer Organisationsformen. Der Erfolg im Gesundheitssektor beruht auf einer beispiellosen Mobilisierung von Regierungen, der Ermutigung zu neuen Kooperationensmustern, und einer umfangreichen Prüfung von Projekten. Konsequentes und politisch unabhängiges Durchgreifen hat dabei erheblich zu den Erfolgen beigetragen. Maßgeblich hierfür waren der Globale Fonds und Gavi. Sie sollten als Vorbilder dienen, um die deutsche und europäische Entwicklungszusammenarbeit besonders im Bereich Bildung strategisch auszurichten.

Die Flüchtlingswelle unterstreicht die herausragende Bedeutung der Fluchtursachenbekämpfung. Kurzfristig gilt es, die Bürgerkriege im Nahen und Mittleren Osten zu bekämpfen, aber langfristig wird die größte Herausforderung für die europäische Politik in Afrika liegen. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass die Bevölkerung in Afrika von derzeit 1,2 Milliarden auf ca. 4,4 Milliarden bis 2100 ansteigen wird. Länder wie Äthiopien, Burundi, Nigeria, Senegal oder Uganda erwarten ein Verdrei- bis Verfünffachen ihrer Bevölkerung. Wenn diese Bevölkerung gut ausgebildet und gesund ist, Zugang zu angemessener Infrastruktur hat, und ihre ländliche Regionen und Städte in die internationale Wirtschaft integriert, um Arbeitsplätze zu schaffen, dann steht afrikanischen Ländern und Europa eine gute Zukunft bevor. Gelingt dies aber nicht, dann werden wir unweigerlich mit deutlich mehr Migration und Instabilität rechnen müssen.

Die internationalen Ziele für eine Nachhaltige Entwicklung (SDGs) unterstreichen zu Recht die Bedeutungen von einer besseren Gesundheit und Bildung. Frauen, die in den Genuss einer Sekundarschulausbildung kommen, tragen zu Wirtschaftswachstum bei. Sie haben weniger Kinder, die gesünder und besser ausgebildet sind. Verbesserte Gesundheitssysteme reduzieren die Kindersterblichkeit, was zu einer deutlichen Senkung der Geburtenrate führt. Länder, wie Bangladesch haben gezeigt, wie umfangreiche Strategien innerhalb kurzer Zeit Geburtenraten deutlich senken können. Und dies, ohne  dass es zu Zwangsmaßnahmen kommt.

Nicht nur mehr Geld, sondern auch bessere Entwicklungszusammenarbeit!

Im Sinne einer langfristigen Entwicklungszusammenarbeit und zwecks Bekämpfung der Fluchtursachen braucht Deutschland einen strategischen Ansatz zum Ausbau nationaler Bildungs- und Gesundheitssystemen. Deutschland wird international eine Schlüsselrolle spielen, da es als einziges großes OECD Land die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit in den letzten Jahren deutlich erhöht hat, und eine neue Bundesregierung den Spielraum im Haushalt haben wird, weitere Erhöhungen vorzunehmen. Aber es ist unwahrscheinlich, dass ein „Business as Usual plus 10-20 Prozent“ in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zum Durchbruch führen wird.

Ein strategischer Ansatz der deutschen Entwicklungszusammenarbeit sollte sich an den Erfolgen im Gesundheitssektor orientieren: Entgegen aller Erwartungen ist es gelungen, die Sterblichkeitsrate von AIDS um ein Drittel, und von Malaria und Tuberkulose um die Hälfte zu reduzieren. Es sterben nur noch halb so viele Kinder wie for zehn Jahren. Dies sind beeindruckende Ergebnisse, besonders wenn man berücksichtigt, dass der Fortschritt am schnellsten in den ärmsten Ländern Afrikas war in denen sich manch eine Entwicklungsinitiative die Zähne ausgebissen hat.

Der Erfolg beruht auf einer beispiellosen Mobilisierung afrikanischer Regierungen und einer deutlichen Erhöhung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit zur Bekämpfung der drei Krankheiten. Aber mehr Finanzmittel hätten nicht zum Durchbruch geführt, wenn sie nicht mit neuen Organisationsformen einhergegangen wären. Entscheidend waren die Gründung des Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria in 2002 sowie von Gavi in 2001. Parallel dazu hat der ehemalige US-Präsident Bush 2003 zwei sehr große bilaterale Initiativen ins Leben gerufen, PEPFAR für AIDS und eine spezielle Malariainitiative.

Der Globale Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria

Der Globale Fonds hat Länder eingeladen, ambitionierte nationale Programmvorschläge zur Bekämpfung der Krankheiten zu unterbreiten. Vorschläge wurden von einem unabhängigen Expertengremium begutachtet und bei technischer Eignung dem Board des Globalen Fonds zur Förderung empfohlen. Die Evaluierung der Vorschläge war transparent aber auch hart. Im Schnitt wurden lediglich 42% der Anträge akzeptiert, und das Expertengremium wich politisch brisanten Entscheidungen nicht aus. So wurde Chinas AIDS-Programm zweimal komplett abgelehnt, weil es keine ausreichende Einbindung von HIV-positiven Drogenabhängigen vorsah. Beim dritten Versuch änderte die chinesische Regierung die Strategie, wurde vom Globalen Fonds gefördert, und setzte ein äußerst erfolgreiches Kontrollprogramm auf, das die von vielen Experten befürchtete Aidspandemie verhinderte.

Die Entflechtung der Evaluierung und finanzieller Unterstützung von Programmen von bilateraler (politischer) Kooperation war ein entscheidender Erfolgsfaktor. Wurden Mittel nicht sachgemäß eingesetzt oder gar veruntreut, dann beendete der Global Fonds die Zusammenarbeit bis die veruntreuten Mittel gänzlich zurückgezahlt wurden. Kaum ein bilateraler Entwicklungsgeber ist hierzu in der Lage, weil immer das politische Interesse an der Pflege bilateraler Beziehungen mitspielt.

Konzipieren, umsetzen, überprüfen

Auf Länderebene entwickelten der Global Fonds und Gavi eine beeindruckende Dynamik. Finanzminister erkannten das Potenzial signifikanter finanzieller Unterstützung und arbeiteten dezidiert mit Gesundheitsministern zusammen, um operationelle Probleme und Schwächen in der Governance systematisch zu beseitigen. Gesundheitsminister, deren Pläne vom Expertengremium des Global Fonds abgelehnt wurden schauten sich die erfolgreichen Programme ihrer Nachbarstaaten an, um ihre eigenen Programme zu verbessern. Darüber hinaus wurden sie ermutigt, mit der Zivilgesellschaft und dem Privatsektor eng zu kooperieren.

Auf diese Weise entwickelte der Gesundheitssektor rasch das operative Know-how, wie hochkomplexe nationale Kontroll- und Behandlungsprogramme für die drei Krankheiten konzipiert, umgesetzt und – ganz wichtig – überprüft werden können. Dieses Wissen wurde mithilfe technischer Organisationen, wie der GIZ, WHO, UNAIDS und anderen, in der ganzen Welt propagiert. Heute haben praktisch alle afrikanischen Länder, inklusive der ärmsten und fragilen Staaten, ausgezeichnete Programme zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria, die beeindruckende Ergebnisse erzielen. Ähnliche Erfolge wurden mittels Gavi im Bereich der Impfung gegen Kinderkrankheiten erzielt.

Aufgrund seines großen Erfolges hat der Globale Fonds kürzlich Zusagen über 13 Milliarden US$ für seine derzeitige Finanzierungsrunde erhalten. Deutschland liefert einen sehr wichtigen Beitrag und hat seine Mittelzusagen deutlich erhöht. Dies wurde erreicht, obgleich der Bundestag eine starke Präferenz für die bilaterale Verwendung von Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit hat. Letztendlich zählen zu Recht die Ergebnisse.

Dringende Prioritäten

Leider fehlen Gavi und dem Global Fonds heute die Mittel, ihr erfolgreiches Konzept auf den Ausbau der Gesundheitssysteme auszuweiten. Die Lehren aus der Ebolakrise zeigen deutlich, dass stärkere Gesundheitssysteme für eine Prävention katastrophaler Epidemien unabdingbar sind. Sie sind auch ein zentraler Mechanismus um Maßnahmen zur reproduktiven Gesundheit und der Verlangsamung des Bevölkerungswachstums anzubieten. Eine neue Bundesregierung sollte also die Initiative ergreifen, um die Mittel des Globalen Fonds oder Gavis zu erhöhen, um die Stärkung nationaler Gesundheitssysteme zu ermöglichen. Auf diese Weise würden öffentliche Mittel extrem effizient umgesetzt werden.

Eine zweite dringende Priorität muss im Bildungssektor gesetzt werden. Nur wenn Afrikas junge Generation gut ausgebildet wird kann die langfristige soziale und wirtschaftliche Entwicklung des Kontinents gewährleistet werden. Allerdings fehlt es im Bildungssektor nicht nur an Finanzmitteln, sondern auch an einem adäquaten Mechanismus zur Bündelung der knappen Gebermittel. Es fehlt ein Globaler Fonds für Bildung. Das Global Partnership for Education (GPE) könnte reformiert werden, um deutlich mehr Mittel für Bildungsprogramem umzusetzen. Ein solcher Fonds sollte auch die neuen Geber, wie z.B. China oder die Golfstaaten, von Anfang an mit einbeziehen. Der G20 Gipfel in 2017 bietet der deutschen Regierung die Finanzierung einer globalen Bildungsinitiative zu thematisieren.

Nicht bloß die Symptome bekämpfen

In Deutschland besteht ein parteiübergreifender Konsens, die Fluchtursachen zu bekämpfen. Ohne eine massive Ausweitung und Verbesserung der Bildung in Afrika werden die langfristigen Fluchtursachen nicht in den Griff bekommen werden. Dank des Erfolges von Gavi und dem Globalen Fonds wissen wir, dass tiefgreifende Veränderungen innerhalb kurzer Zeit möglich sind, wenn Entwicklungsfinanzierung effizient gebündelt wird. „Business as usual“ wird nicht reichen. Dies muss der Politik den Mut geben, eine internationale Bildungsinitiative in Angriff zu nehmen. Andernfalls werden wir in einigen Jahren feststellen, dass wir bestenfalls Symptome kuriert haben.

Image. Guido Schmitd-Traub

Guido Schmidt-Traub ist der Leiter des UN Sustainable Development Solutions Network. Er war als Berater zum Klimawandel für das African Progress Panel Sekretariat und als Geschäftsführer des CDC Climate Asset Management, eine Investmentgesellschaft, in Paris zuständig.

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