Mit der Verabschiedung der Agenda 2030 wurde ein Paradigmenwechsel in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit eingeleitet. Es wird nicht weniger als eine soziale, ökologische und wirtschaftliche Transformation der bestehenden Systeme gefordert. Die Sustainable Development Goals (SDG) gelten für alle Länder. Vor allem das Überwinden sozialer Ungleichheiten ist eine große gemeinsame Herausforderung. Die Schaffung eines internationalen Steuersystems kann beispielsweise einen wichtigen Beitrag leisten, Staatseinnahmen zu erhöhen und Wohlstand gerechter zu verteilen.
Globalisierung und zunehmende globale Ungleichheiten als gemeinsame Herausforderung
Wir leben nicht nur im Zeitalter der zunehmenden Globalisierung, sondern auch in einer Zeit zunehmender Ungleichheiten innerhalb und zwischen Staaten. Die 62 reichsten Menschen der Welt besitzen genauso viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Damit ist in einem Zeitraum von lediglich fünf Jahren das Vermögen dieser reichsten Personen um 44 Prozent gewachsen, während das Vermögen der ärmeren Hälfte um eine Billionen US-Dollar zurückgegangen ist. Ein Prozent der Weltbevölkerung besitzt annähernd die Hälfte des Weltvermögens.
Schon diese Zahlen zeigen, wie groß die Unterschiede in der Wohlstandsverteilung sind. Als Sozialdemokrat und Gewerkschafter bin ich der festen Überzeugung, dass dieser Ungleichverteilung nur damit begegnet werden kann, wenn dem Begriff der Zukunftsgerechtigkeit eine zentrale Bedeutung zugeschrieben wird. Gleicher Zugang zu Bildung und Gesundheit, Lohngerechtigkeit oder auch Gleichberechtigung sind innerstaatliche Gerechtigkeitsfragen.
Nun ist dies ein Beitrag zum Thema „Zukunft der Entwicklungszusammenarbeit“ und nimmt daher eine globale Perspektive ein. Aber auch im internationalen Kontext sind die Themen nicht viel anders gelagert. Auch hier geht es um gleiche Zukunftschancen, wie den gleichberechtigten Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung, soziale Sicherung, menschenwürdige Arbeit, fairen Handel und gleichberechtigte Teilhabe.
In der Entwicklungspolitik sprechen wir oft von der „einen Welt“. Das muss über die reine Entwicklungspolitik hinaus gelten. Im Jahr 2016 stehen Entwicklungs-, Schwellen- und Industrieländer vor ähnlichen Herausforderungen. Dies betrifft – wie die Weltbank bereits im Jahr 2006 in ihrem Weltentwicklungsbericht geschrieben hat – die Ungleichheit in der Gesundheitsversorgung, ungleicher Zugang zu Bildung, Lohnungerechtigkeit und die Ungleichverteilung von Macht und Einfluss.
Kampf gegen Steuervermeidung und Steuerhinterziehung als Treiber für mehr Gerechtigkeit
Sowohl die Entwicklungs- und Schwellenländer als auch die Industrieländer haben mit Steuerhinterziehung und Steuervermeidung zu kämpfen. Die Verluste für die öffentlichen Haushalte in Entwicklungs- und Schwellenländern betragen nach konservativen Schätzungen für den Zeitraum 2000 bis 2008 durchschnittlich 725 Mrd. US-Dollar. Allein die geschätzte Summe für das Jahr 2008 (1.260 Mrd. US-Dollar) entspricht dem Zehnfachen der ODA-Entwicklungsfinanzierung.
Das Tax Justice Network schätzt, dass zwischen 21-32 Billionen US-Dollar Finanzvermögen von Privatpersonen in Steueroasen vom Fiskus versteckt lagern. Das entspricht in etwa der Größe der Wirtschaft der USA und Japan zusammen. Die Steuerausfälle durch Steuerhinterziehung werden in Deutschland auf 40-60 Mrd. Euro geschätzt. Das lässt vermuten, dass die Verschuldung der Industriestaaten nicht nur ein Verschuldungs-, sondern in erster Linie ein Einnahmeproblem ist. Die jährliche Gewinnverlagerung aus Deutschland reicht, je nach Berechnung, von 2,4 Mrd. über 10 Mrd. bis hin zu 100 Mrd.
Illegale Finanzströme verursachen enorme fiskalische Verluste und stehen daher einer wirtschaftlichen und sozial gerechten Entwicklung im Weg. Den Ländern werden dringend benötigte Finanzressourcen entzogen, dagegen werden Korruption, Misswirtschaft und der informelle Sektor gefördert. Die Steuerungsfähigkeit der Staaten wird eingeschränkt und im Ergebnis öffnet sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter.
Diese Zahlen zeigen, dass Steuerhinterziehung und Steuervermeidung ein Problem vieler Staaten ist, dagegen vorzugehen ist daher auch eine gemeinschaftliche Aufgabe. Dazu ist ein konsequentes und koordiniertes Vorgehen gegen missbräuchliche Steuergestaltung und gegen Steuerhinterziehung notwendig. Des Weiteren ist ein internationales Steuerregime verbunden mit einer wirksamen Finanzmarktregulierung unumgänglich.
Die Sustainable Development Goals als globale Gerechtigkeitsagenda
Ebenso verhält es sich mit vielen anderen Themen – Umweltschutz, Gesundheit, Arbeitnehmerschutz – um nur ein paar der globalen Herausforderungen zu nennen. Genau aus diesem Grund richten sich die SDGs an alle Staaten. Neben der Globalisierung der Wirtschaft und der Finanzmärkte müssen wir auf politischer Ebene nachziehen, um das so oft beschriebene Primat der Politik wieder herzustellen. Die SDGs geben einen Rahmen für eine nachhaltige Entwicklung vor. Diese gilt es nun umzusetzen.
Dafür müssen die SDGs als Leitprinzip auf allen politischen Ebenen und ressortübergreifend gelten. Eine bessere Koordination zwischen den einzelnen Ressorts, aber auch zwischen Bund, Ländern und Kommunen sind dafür erforderlich. Es ist zu begrüßen, dass die Federführung bei der Agenda 2030 im Bundeskanzleramt liegt, aber das zuständige Referat muss auch mit ausreichender Kompetenz – finanziell wie personell – ausgestattet und institutionell gestärkt werden. Die Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele ist nicht nur vom Entwicklungsministerium zu gestalten – im Gegenteil: alle Gesetzesvorhaben müssen in Zukunft daran gemessen werden, ob sie einer nachhaltigen Entwicklung und den SDGs dienlich sind. Jedes einzelne Ministerium benötigt daher ein „Agenda 2030-Referat“ auf Leitungsebene, das die relevanten Maßnahmen des Ministeriums im Hinblick auf die Zielerreichung überprüft. Nur wenn der durch die SDGs eingeleitete Paradigmenwechsel tatsächlich umgesetzt wird, werden menschenwürdige Arbeitsbedingungen, die Beseitigung von Armut und die Überwindung von Ungleichheit weltweit erreichbar sein.