Demokratieförderung durch die Wirtschaft: Erkenntnisse aus dem Marshall Memorial Fellowship

Dr. Semuhi Sinanoğlu (IDOS) teilt seine Erkenntnisse aus einer Studienreise in die USA. Gespräche mit Amtsträger*innen und Wirtschaftsvertreter*innen zeigen, wie Unternehmen sich gegen demokratiefeindliche Tendenzen behaupten, zivilgesellschaftliche Initiativen still unterstützen und demokratische Institutionen schützen. Zentrale Erkenntnisse betreffen Koalitionsbildung, Unterstützung von Familienunternehmen und die Bedeutung diskreter Demokratieförderung.

 

Gruppenphoto: IDOS-Forscher Dr. Semuhi Sinanoğlu mit Amtspersonen und Unternehmensleiter*innen während seines Marshall-Memorial-Fellowship in den USA.
©IDOS
Gruppenphoto: IDOS-Forscher Dr. Semuhi Sinanoğlu mit Amtspersonen und Unternehmensleiter*innen während seines Marshall-Memorial-Fellowship in den USA.
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Dr. Semuhi Sinanoğlu absolvierte im Rahmen des Marshall Memorial Fellowship des German Marshall Fund eine dreiwöchige Studienreise in die Vereinigten Staaten. Er besuchte Washington D.C., Michigan, Texas und Alabama und traf dort mit gewählten Amtsträger*innen, Wirtschaftsvertreter*innen sowie philanthropischen Organisationen zusammen. Dabei tauschte er sich zu seinem aktuellen Forschungsprojekt am IDOS aus, das sich mit der Frage beschäftigt, unter welchen Bedingungen die Wirtschaft anti-demokratischen Übergriffen und Repressionen widersteht und wann Unternehmensführungen aktive und sichtbare Schritte zum Schutz demokratischer Institutionen und lokaler Gemeinschaften unternehmen.

Gruppenphoto: IDOS-Forscher Dr. Semuhi Sinanoğlu mit Amtspersonen und Unternehmensleiter*innen während seines Marshall-Memorial-Fellowship in den USA.
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Aus diesen Gesprächen ergaben sich mehrere zentrale Erkenntnisse für Akteur*innen der Demokratieförderung:

  1. Breite Koalitionen mit der Wirtschaft aufbauen. Es braucht Zeit, um Vertrauen zwischen unterschiedlichen Akteur*innen aufzubauen und ihre jeweilige Sprache zu verstehen. Organisationen im Bereich der Menschenrechte sollten gezielt in den Aufbau breiter Koalitionen investieren, die die Wirtschaft zu Themen einbinden, die auch ihre wirtschaftlichen Interessen betreffen. Diese Beziehungen können nachfolgend für umfassendere Demokratieschutzmaßnahmen genutzt werden. 
  2. Familienunternehmen schützen und finanziell unterstützen. Familienunternehmen, die seit Jahrzehnten am selben Standort tätig sind, sind ein zentraler Bestandteil des Gemeinschaftslebens. Sie spielen oft eine überproportional große Rolle beim Schutz demokratischer Werte, da sie als Knotenpunkte lokaler Netzwerke fungieren. Wenn solche Betriebe politischem Druck ausgesetzt sind, treten lokale Gemeinschaften häufig zu ihrer Verteidigung an. Akteur*innen der Demokratieförderung sollten diese Unternehmen finanziell und institutionell unterstützen, um ihren Fortbestand zu sichern. 
  3. Nicht jede Form der Demokratieförderung sollte öffentlich erfolgen. Selbst in gefestigten Demokratien ist es für Unternehmen riskant, sich offen regierungskritisch zu äußern. Behörden können öffentliche Aufträge streichen, Genehmigungen entziehen, Steuerprüfungen veranlassen oder andere regulatorische Instrumente einsetzen, um kritische Stimmen zu sanktionieren. Unternehmen erkennen beispielsweise häufig, dass anti-immigrationspolitische Maßnahmen für sie wirtschaftlich von Nachteil sind, schweigen jedoch aus Angst vor Repressalien. Stattdessen unterstützen sie möglicherweise still zivilgesellschaftliche Initiativen oder schützen ihre Belegschaft diskret. Akteur*innen der Demokratieförderung sollten diese Realität anerkennen: Nicht alle Engagements können oder sollten öffentlich sichtbar sein. 

 

Weitere Publikationen von Dr. Sinanoğlu zu diesem Thema finden Sie hier:

Autocrats and their business allies: The informal politics of defection and co-optation

Can capitalism save democracy?

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