Bonn, den 20. März 2025. Die USA erschüttern in diesen Wochen die Strukturen internationaler Sicherheits- und Kooperationspolitik. Sie stellen die Beistandsverpflichtung der NATO und das Zusammenwirken mit Europa in den Vereinten Nationen in Frage. Sie überziehen ihre Partner mit Zöllen. Sie verabschieden sich aus Vereinbarungen wie dem Pariser Klimaabkommen und der 2030 Agenda für nachhaltige Entwicklung. Sie lösen ihre zentrale Entwicklungsorganisation (USAID) auf und ziehen sich aus dem Entwicklungsausschuss (DAC) der OECD zurück.
Um der veränderten Lage begegnen zu können, muss Deutschland bei Diplomatie, Militär und Entwicklung nicht nur stärker und strategischer, sondern auch kohärenter und effizienter werden. Der finanzielle Aufwuchs beim Militär darf nicht zulasten von Diplomatie und globaler Partnerschaft gehen, sondern braucht deren Stärke als Erfolgsvoraussetzung. Eine übergreifende strategische Orientierung ist unverzichtbar. Statt aber mit einem Nationalen Sicherheitsrat in die Falle einer sicherheitspolitischen Engführung zu laufen, brauchen wir einen im Bundeskanzleramt angesiedelten Nationalen Rat für Frieden, Sicherheit und Partnerschaft, der Frieden nach vorne stellt und neben Sicherheit auch auf Partnerschaft setzt.
Die zentralen nach Außen gerichteten Ressorts müssen aber auch selbst innovativer und effizienter aufgestellt werden. Das Auswärtige Amt (AA) sollte neue strategische Linien für eine multipolare Welt entwickeln können und europäisch abgestimmt sichtbar zum Tragen bringen, statt moralische Appelle und diplomatische Formelkompromisse inkrementell fortzuschreiben. Das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) muss den Umbau einer Armee für Auslandseinsätze in Richtung Verteidigung stemmen, technologisch neue Wege beschreiten, effizienter beschaffen und sich europäisch integrieren. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) muss verengte Vorstellungen von Entwicklung als Armutsüberwindung und Zusammenarbeit als Hilfe deutlicher hinter sich lassen, seine Kooperationsprogramme neben Bedürftigkeitsüberlegungen strategisch auch an Gestaltungsnotwendigkeiten ausrichten sowie Verfahren und Finanzen eher an Aufgaben als an Instrumenten und Institutionen orientieren.
Deutschland war bislang nach den USA und vor der EU der finanziell zweitgrößte „westliche“ entwicklungspolitische Akteur. Ähnlich wie die EU und bisher die USA bündelt Deutschland seine Entwicklungspolitik weitgehend in einer integrierten, politisch geführten Institution. Gut zwei Drittel aller hierfür von Bundesressorts verantworteten Finanzmittel liegen beim BMZ. Dennoch belastet die ressortmäßige Aufteilung von Zuständigkeiten immer noch Deutschlands bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit. Deshalb sollten neben Reform und Entbürokratisierung im Geschäftsbereich des BMZ selbst die Effizienz und Kohärenz der deutschen Entwicklungspolitik in drei Richtungen verbessert werden.
Erstens sollten Aufgaben, die bereits heute überwiegend im BMZ bearbeitet werden, dort endlich vollständig gebündelt werden. So wären die Zuständigkeiten für die Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) dem BMZ zu übertragen, das bereits für alle anderen multilateralen Entwicklungsbanken verantwortlich zeichnet. Genauso sollte die internationale Klimafinanzierung beim BMZ zusammengefasst werden, wo seit langem deren weitaus überwiegender Teil liegt. Ferner ist die Humanitären Hilfe beim BMZ zusammenzuführen, das in den meisten betroffenen Ländern entweder schon tätig ist oder später strukturell tätig werden soll.
Zweitens sollte die partnerschaftliche Mitgestaltung der Verhältnisse vor Ort enger mit der eher interessensorientierten Gestaltung der gegenseitigen Beziehungen verbunden werden. Hierfür bietet sich die Verlagerung von Aufgaben der Außenwirtschaftspolitik zum BMZ an, welches bereits für die Wirtschaftspartnerschaften der EU in Afrika, der Karibik und im Pazifik verantwortlich ist. Auch die Migrationspartnerschaften sollten dem BMZ zugewiesen werden, von wo schon seit einigen Jahren Zentren für Migration und Entwicklung in einer Reihe von Partnerländern finanziert werden. So ließen sich in beiden Feldern Synergiepotentiale heben und Partnerschaftlichkeit erhöhen.
Drittens sollte die Vernetzung der Bearbeitung innergesellschaftlicher und auswärtiger Herausforderungen im Interesse von Universalität und Reziprozität ausgebaut werden. Dies ist unverzichtbar für die Umsetzung und Weiterentwicklung der weltweit für ärmere wie reichere Länder geltenden 2030 Agenda für nachhaltige Entwicklung. Bislang ist hier die Zuständigkeit gleich dreifach aufgeteilt, national liegt sie beim Bundekanzleramt, international gemeinsam bei Umweltministerium und BMZ. Jüngst wurde bereits das von Bund und Ländern initiierte innerstaatliche Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit zum BMZ verlagert. Künftig sollte die federführende Zuständigkeit für die nationale und internationale Nachhaltigkeitspolitik beim BMZ angesiedelt werden, um diese nach innen wie außen integriert, kooperativ und reziprok zu gestalten.
Europa muss jetzt in seine weltweiten Partnerschaften investieren. Deutschland verfügt dafür mit dem BMZ über einen unverzichtbaren Aktivposten, um die internationale Kooperationsarchitektur nach dem Rückzug der USA im europäischen Verbund zu stabilisieren und umzubauen, statt sie durch Dominoeffekte wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen zu lassen. Diese Chance sollte jetzt auch durch Reformen sowie konzeptionelle und institutionelle Sprunginnovationen genutzt werden.