Mit einem Fokus auf den Osten Europas untersuchten die Teilnehmenden der Konferenz „Postcolonial, Decolonial, Postimperial, Deimperial“, ob und wie koloniale und imperiale Erfahrungen in Geschichte, Institutionen und Literatur nachwirken.
Vom 14. bis zum 17. April 2024 trafen sich Wissenschaftler*innen aus den Geistes- und Sozialwissenschaften an der Universität Rijeka in Kroatien, um neueste Erkenntnisse über die Bedeutung von (De/Post)Kolonialität und (De/Post)Imperialität zu diskutieren.
Im Rahmen eines Panels zum Thema „Ottoman Afterlives“ hielt Dr. Sebastian Haug einen Vortrag mit dem Titel “Decolonial donor? Turkish development cooperation framings between postcolonial solidarity and neo-imperial grandeur”. Basierend auf Forschung zur Position der Türkei – seit 2021 offiziell „Türkiye“ – an der Peripherie des Globalen Südens zeigte Haug auf, wie die türkische Regierung unter Recep Tayyip Erdoğan versucht, zwei Identitätsrahmungen zu kombinieren, die viele für unvereinbar halten. Einerseits hat die Türkei versucht, sich als Geber darzustellen, indem sie der OECD Daten zu türkischer Official Development Assistance zur Verfügung stellt. Andererseits präsentiert sich die türkische Regierung als dekoloniale und antiimperiale Stimme, die durch Süd-Süd-Solidarität die Dominanz etablierter (westlicher) Mächte in Frage stellt. In Rijeka zeigte Haug, wie offizielle türkische Quellen durch Referenzen zu zivilisatorischem Exzeptionalismus die Türkei als paternalistisches „Gewissen der Welt“ darstellen, das im Einklang mit Vorstellungen von (neo)osmanischer Größe agiert.
Andere Panelbeiträge trugen zu einer vielschichtigen Diskussion über osmanisches Erbe in der Levante, in und durch moderne türkische Literatur sowie im Hinblick auf Migrationsdynamiken an der türkisch-griechischen Grenze bei. Am IDOS ist die Auseinandersetzung mit der globalen Rolle der Türkei Teil von Forschung, die sich mit aktuellen Machtverschiebungen im internationalen System – u.a. auch Chinas Rolle – beschäftigt.