Aufgrund seiner Bedeutung als Hotspot für biologische Vielfalt, für Fischfang, Transport und Tourismus, als Kohlenstoffsenke und als Lebensraum für indigene Völker steht der Ozean im Mittelpunkt wichtiger politischer Prozesse. Dennoch sind sich viele Menschen der Rolle des Ozeans nicht bewusst und Wissenschaftler*innen haben oft Schwierigkeiten, ihre Erkenntnisse in für politische Entscheidungstragende zugängliche Formate zu übersetzen.
Um Diskussionen und Maßnahmen für einen zugänglichen Ozean anzustoßen – eines von sieben Zielen der UN-Dekade „Ozeanforschung für nachhaltige Entwicklung“ – leiteten DIE-Direktorin Prof. Dr. Anna-Katharina Hornidge und Sebastian Unger vom Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) ein dreitägiges Labor, welches vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in Zusammenarbeit mit der Zwischenstaatlichen Ozeanographischen Kommission der UNESCO (IOC-UNESCO) ausgerichtet wurde. Die Veranstaltung fand vom 10. bis 12. Mai statt und ging drei wesentlichen Fragen nach: Wie werden Wissen, Daten und Fachkenntnisse derzeit geteilt und genutzt, wie verhält sich dies zum Wissensbedarf für wichtige politische Prozesse (z. B. Schutz der marinen Artenvielfalt und Identifizieren von Kipppunkten bei der Fähigkeit des Ozeans, Kohlenstoff zu speichern) und wie können die Schnittstellen zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft verbessert werden?
Im Rahmen des Labors organisierten Mirja Schoderer und Ramona Hägele, beide DIE, am 11. Mai eine virtuelle Podiumsdiskussion, die untersuchte, was „zugängliche“ Meeresforschung aus verschiedenen Perspektiven bedeutet. Mit ihnen diskutierten Claas Faber, Datenmanager am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Meeresforschung Kiel, Dr. Leticia Cotrim da Cunha, Ozeanografin an der Universidade do Estado do Rio de Janeiro, Anne Broocks, Soziologin am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) und für den Zivilen Friedensdienst in Bolivien aktiv, und Geraldine Guillevic, Wissenschaftskommunikatorin vom französischen Nationalen Institut für Meereswissenschaften (Ifremer).
Um zugänglich zu sein, so argumentierten sie, müsse Wissenschaft für die breite Öffentlichkeit verständlich sein. Sie müsse aber auch anerkennen, dass es nicht-wissenschaftliche Wissensformen gibt (z.B. traditionelles Wissen), die ebenfalls Gültigkeit besitzen. Zugängliche Wissenschaft müsse auffindbar sein (z. B. bei einer Online-Suche), gebührenfrei einsehbar, und auf interoperablen und wiederverwendbaren Daten beruhen, und damit den so genannten FAIR-Grundsätzen entsprechen. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass dies Veränderungen auf individueller, aber auch auf struktureller Ebene erfordert: Wissenschaftler*innen müssen lernen, besser zu kommunizieren. Dies können sie jedoch nur, wenn genügend Zeit und finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Hierfür sind wiederum Veränderungen auf der Ebene der Wissenschaftsförderung vonnöten. Diese braucht es auch, um dauerhafte technische und organisatorische Infrastrukturen zu schaffen, die den Austausch von Daten und Wissen fördern, und um Forschungsprojekte zu gestalten, die den transdisziplinären Dialog zwischen Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften sowie nicht-wissenschaftlichen Wissensformen befördern.
Die verstärkte Förderung transdisziplinärer Arbeit und besserer Kommunikation wurde während des gesamten Labors mehrfach als Voraussetzung für eine bessere Zugänglichkeit der Meereswissenschaften genannt. Um weltweit finanzielle Mittel für solche Projekte zu bündeln und den Umfang der Ozeanbeobachtung zu erhöhen, kam der Vorschlag auf, ein Äquivalent zur Internationalen Raumstation für den Ozean einzurichten. Darüber hinaus kristallisierten sich die Stärkung bestehender Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Politik und die Einbeziehung von Meeresthemen in die Arbeit wissenschaftlicher Beiräte als wichtige Wege heraus, um wissenschaftliche Erkenntnisse besser in die Politik einfließen zu lassen.