Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind zwei der einflussreichsten Diskussionsthemen in der heutigen Zeit. Jedes für sich genommen hat bereits eine große Menge Forschung darüber hervorgebracht, wie es wesentliche Praktiken und vor allem Regierungsführungen, Unternehmen und Gesellschaften verändern kann. Der Zusammenschluss dieser beiden Trends blieb jedoch weitgehend unerforscht. Es gibt viele Forschungsaktivitäten zu Konzepten wie Digitalisierung, digitale Transformation, Industrie 4.0-Anwendungen; trotzdem wurden bisher nicht alle relevanten Dimensionen dieser Konzepte untersucht. Obwohl „Nachhaltigkeit“ und „Digitalisierung“ einzeln Aufmerksamkeit geschenkt wird, wird weniger darauf geachtet, zu verstehen, wie diese Entwicklungen zusammenwirken können, um ein neues nachhaltiges System zu entwerfen. Das Potenzial, das die Digitalisierung und die künstliche Intelligenz (D&KI) bieten – Big Data, Deep Learning, das Internet der Dinge (IdD), virtuelle Realität und mehr – wird oft mit Wachstum beschrieben. Ähnliches lässt sich in Bezug auf nachhaltige Transformation beobachten. Die Verbindung von D&KI und Nachhaltigkeit bieten sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Einerseits können neue Technologien nachhaltige Innovationen vorantreiben, andererseits können sie Probleme wie die digitale Kluft, Cyber-Kriminalität und Datenschutzprobleme hervorrufen. Es ist von entscheidender Bedeutung, die Vorteile und Kompromisse für die Entwicklung eines integrativen, sicheren und gesunden Systems zur Verbesserung der Lebensqualität für alle deutlich herauszuarbeiten.
Angesichts der bestehenden Wissenslücke will das Projekt „Digitainable“ der Bonner Allianz für Nachhaltigkeitsforschung / Innovations-Campus Bonn (ICB) untersuchen, wie, warum und wo Digitalisierung und die künstliche Intelligenz zur Erweiterung bereits bestehender Bemühungen zur Erreichung der Ziele für Nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) beitragen. Die Einflüsse von D&KI auf die Indikatoren der SDGs unter Berücksichtigung ihrer Verflechtungen sind ein besonderer Schwerpunkt des Projekts. Die interdisziplinäre Forschungsgruppe nähert sich diesen Fragen sowohl aus einer technologischen als auch aus einer gesellschaftlichen Perspektive. Die Methoden, die innerhalb der Gruppe verwendet werden, werden durch transdisziplinäre Ansätze, die verschiedene Interessengruppen aus der Domäne einbeziehen, weiter harmonisiert. Zusätzlich zu wissenschaftlichen Beiträgen organisierte das Team Veranstaltungen, um sich mit dem breiten Fachwissen von Expert*innen zu befassen, das für ein besseres Verständnis der Verbindung von D&KI und nachhaltiger Entwicklung unerlässlich ist.
Anwendungen von D&KI auf die SDGs
Das Projekt der Bonner Allianz für Nachhaltigkeitsforschung definiert Digitalisierung (D) als „den sozialen Wandel, der durch die massenhafte Einführung digitaler Technologien ausgelöst wird, die Informationen erzeugen, verarbeiten und übertragen““ (Katz und Koutroumpis 2013), und künstliche Intelligenz (KI) als den Einsatz von Wissenschaft und Technik (Software oder Hardware) zur Schaffung intelligenter Maschinen, die Entscheidungen treffen und/oder auf Entscheidungen reagieren können, die normalerweise organische Intelligenz erfordern, oder wie Max Tegmark sagte: „Intelligenz, die nicht biologisch ist“. Das Team hat acht D&KI-Anwendungen erkannt, die den SDGs zugutekommen könnten. Diese acht Anwendungen werden wiederum in drei Hauptkategorien gruppiert: Datengetrieben, Analyse-getrieben und Design-getrieben. Die nachstehende Abbildung zeigt die Klassifizierung der Anwendungen, die in der Forschung berücksichtigt wurden. Das Projektteam ist sich bewusst, dass sich einige dieser Anwendungen überschneiden können; der Einfachheit halber wurde jedoch diese Zuordnung erstellt, um das Potenzial dieser Anwendungen auf die SDG-Indikatoren und -Verknüpfungen zu untersuchen.
Darstellung von D&KI-Anwendungsfällen auf die SDG-Indikatoren
Um den Einfluss der D&KI-Anwendungen auf die SDGs auf der Ebene der Indikatoren abzubilden, analysierte das Projektteam zunächst die Rohdaten von Organisationen wie der Weltbank und aus den SDG-Datenbanken der Vereinten Nationen zur Generierung von Beweisen. Anschließend wurden die Anwendungsfälle untersucht, um die Bedeutung der Anwendungen für spezifische Indikatoren zu verstehen. Die Anwendungsfälle verdeutlichen den aussagekräftigen Kontext der offiziellen Definition des Indikators, der durch den Einsatz einer oder mehrerer D&KI-Anwendungen angegangen werden kann. Unter Verwendung der Theory of Change (ToC) als zielgerichtetes Modell zur Untersuchung des Technologieeinsatzes, der durch Beweisstücke untermauert wird, ermittelt das Projekt die Nützlichkeit verschiedener D&KI-Anwendungen für die Indikatoren. Die Ergebnisse der D&KI-Anwendungen für SDG-Indikatoren sind noch nicht ausgereizt und entwickeln sich mit der Zeit weiter. Das Team ist dabei, den Rahmen für die Berechnung der Auswirkungen der D&KI-Anwendungen auf die SDGs und ihre jeweiligen Indikatoren zu entwickeln. Die nachstehende Abbildung gibt einen kleinen Überblick über die Forschungsarbeiten, die für SDG 3 (Gesundheit und Wohlbefinden) durchgeführt werden. Darüber hinaus erfolgen ähnliche Arbeiten zu anderen SDGs und ihren jeweiligen Indikatoren.
Wenn Sie weitere Einzelheiten erfahren oder mit dem Projekt „Digitainable“ zusammenarbeiten möchten, kontaktieren Sie die verantwortlichen Mitarbeiter*innen hier.
Zu bewältigende Risiken
Sozio-technische Aspekte
Die Bedürfnisse und Erwartungen der Stakeholder sind bei der Konzeption und Realisierung technischer Lösungen zur Unterstützung bestehender Prozesse von entscheidender Bedeutung. Neue Technologien bieten oft neue Möglichkeiten, um anstehende Aufgaben zu bewältigen. Dazu müssen digitale Technologien jedoch für möglichst viele Menschen nutzbar sein. Gerade in Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen sind Inklusivität, Gerechtigkeit und Alphabetisierung häufig ein Problem. Datenbezogene Debatten müssen hinsichtlich Anonymisierung, Datenschutz, -nutzung und Datenrechte geführt werden.
Verknüpfungen und Interpretationen
Darüber hinaus ist auch bei der Untersuchung der Zusammenhänge und der Integration der SDG-Indikatoren Vorsicht geboten. Das vorhandene Wissen über die Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen den SDG-Indikatoren ist begrenzt, insbesondere in Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen Die Art der Verflechtungen und Implementierung hängt zudem stark von der Geografie ab, z.B. im Falle von Binnen- und Wassergebieten, die wiederum die Auswahl und Anpassung der SDGs beeinflusst. Daher wird die Verallgemeinerung von Verflechtungen kein effizientes Mittel sein, um die Kohärenz eines Aktionsplans zu untersuchen. Daneben berücksichtigen die Indikatoren der SDGs Länder und regionale Kontexte. Ganzheitliche und integrierte Ansätze sind für die Analyse und Interpretation der Nützlichkeit von D&KI und Verflechtungen der SDG-Indikatoren von Vorteil.
Energienachfrage
Schwierig ist auch die Zunahme des Stromverbrauchs durch die D&KI-Infrastruktur, elektronische Geräte, Informationstechnologien, Datenzentren und bis zu einem gewissen Grad über die Internet-Verteilungsnetze. Es wird vorhergesagt, dass die zunehmende Nutzung von D&KI-Dienstleistungen den Energiebedarf erhöhen wird. Das Projektteam muss dies sorgfältig in Betracht ziehen, um eine realistische Problemlösung für die Herausforderungen bei der Umsetzung zu finden.
All dies erfordert die Zusammenarbeit von Industrie, Wissenschaft, Regierungen, Bürger*innen und Bürgernund NGOs, um die Bemühungen um Verfügbarkeit, Zugänglichkeit und Konnektivität in regelmäßigen Abständen zu diskutieren. Die enge Verbindung zwischen den verschiedenen Schlüsselakteuren ist von wesentlicher Bedeutung, um Risiken zu mindern und eine gleichmäßige Verteilung von Infrastruktur und Ressourcen zu erleichtern und um das weiter gefasste Ziel, „niemanden zurückzulassen“ (leaving noone behind), zu erreichen. Zusammenarbeit und die regelmäßige Überprüfung angewandter Strategien sind erwünscht, um einen klaren Aktionsplan zu entwickeln, um D&KI kreativ für eine nachhaltige Entwicklung zu nutzen.
Im April 2020 hat die Bonner Allianz für Nachhaltigkeitsforschung im Rahmen des Projektseine Veranstaltung unter dem Titel „Digitainable Thinkathon“ organisiert. Sie brachte Menschen aus der Forschung, dem Privatsektor, der Zivilgesellschaft und der öffentlichen Verwaltung in einem Online-Format zusammen, um die Anwendbarkeit der oben genannten acht digitalen Anwendungen für die Indikatoren der SDGs 4 und 13 zu diskutieren. Die Teilnehmer*innen der Veranstaltung sind im Austausch, um weiter zu kooperieren. Zugleich bringt das Projekt die Diskussion über D&KI und die SDGs auf der Ebene der Indikatoren voran. Zukünftige Forschungsarbeiten werden durch die Unterstützung von Forscher*innen innerhalb und außerhalb der Bonner Allianz für Nachhaltigkeitsforschung deutlich vorankommen.
Wenn Sie Interesse haben, Aspekte von D&KI in Bezug auf die SDGs zu bearbeiten, kontaktieren Sie:
Dr. Shivam Gupta
Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Projekt digitainable
Universität Bonn
Bonner Allianz für Nachhaltigkeitsforschung/ Innovations-Campus Bonn (ICB)
Büro: Genscherallee 3, 53113 Bonn
Telefon: 0228/73-4927
E-Mail: shivam.gupta@uni-bonn.de