Entwicklungszusammenarbeit darf die politische Bildung Jugendlicher nicht übergehen. Es reicht nicht, über berufliche Qualifikation und Beschäftigung zu sprechen. Die Jugendlichen müssen auch als Teil einer Gemeinschaft gesehen werden, die von ihnen heute und in Zukunft gestaltet wird.
Rund 3,1 Milliarden Menschen sind jünger als 25 Jahre. Sorgen bereitet die unverändert hohe Rate der Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen. Die Weltgemeinschaft ist gefordert, ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu erreichen, das Arbeitsplätze schafft. Und die Frage anzugehen, wie berufliche Qualifikation vermittelt werden kann. Die in der Agenda 2030 enthaltene Vision einer Sekundarschulbildung für alle nimmt auch das Ziel beruflich relevanter Qualifizierung auf.
Qualifikation und Beschäftigung sind ein Schritt in einer Vision globaler Gerechtigkeit. Der Zugang zu Bildung und Beschäftigung darf nicht sozioökonomische oder kulturelle Begrenzungen widerspiegeln, die einzelne Gruppen, insbesondere junge Frauen stärker als junge Männer, benachteiligen. Beschäftigung muss zudem ein Einkommen ermöglichen, das ein Leben oberhalb der Armutsgrenze ermöglicht. Daher sind in der Gruppe der 15-24 -Jährigen eine Erwerbsquote junger Männer mit 53,9% gegenüber der junger Frauen mit 37,3% ebenso eine gesellschaftliche Herausforderung wie Erhebungen, die zeigen, dass arbeitende Jugendliche stärker als arbeitende Erwachsene, 37,7% vs. 26%, von Armut betroffen sind.
Distanz zur Demokratie
Wie aber gehen junge Menschen mit Perspektivlosigkeit und sozialer Ungerechtigkeit um? Werden demokratische Normen, die wir als grundlegend für eine politische Ordnung ansehen, als Rahmen anerkannt, um auf Abhilfe zu drängen. Wenn schon eine Studie wie die jüngst veröffentlichte Erhebung ‚Junges Europa 2017‘ eine Distanz zur Demokratie als Staatsform zeigt, wie ist die Situation unter Bedingungen, in denen Erfahrung im Umgang mit politischer Partizipation fehlt?
Die Staaten sind gefordert, Anstrengungen zu unternehmen, um die Beteiligung von Jugendlichen an politischen Prozessen zu erhöhen. Es sollten Initiativen entwickelt und gestärkt werden, die junge Menschen dahingehend fördern, sich handelnd in die Veränderung ihrer Lebensbedingungen einzubringen.
Daher soll an dieser Stelle ein Plädoyer dafür erfolgen, einen besonderen Fokus auf die politische Bildung Jugendlicher zu legen. Es reicht nicht, über Ausbildungsgänge, Qualifikationen und Beschäftigung zu sprechen. Die Jugendlichen müssen als Teil einer Gemeinschaft gesehen werden, die von ihnen heute und in Zukunft gestaltet wird. Sie sind die Generation, die die Welt verändert.
Mitsprache verlangt Wissen. Den Jugendlichen muss die Information zur Verfügung stehen, die ihnen erlaubt, verantwortlich und demokratisch zu handeln. Weltweit wird aber kaum auf politische Bildung verwiesen. Für politische Stiftungen und ihre Partner öffnet sich hier ein wegweisendes Tätigkeitsfeld. Die Mobilisierung fällt leichter, wenn Jugendliche in ihrer Sprache und über Medien angesprochen werden, die sie alltäglich nutzen.
Arbeit der politischen Stiftungen
Die Hanns-Seidel-Stiftung, eine der sechs deutschen politischen Stiftungen, kann hier auf positive Erfahrungen verweisen. Beispielsweise in Lateinamerika mit Planspielen und akademischen Simulationen, die Information über den Ablauf politischer Prozesse mit real nachempfundenen Situationen verknüpfen, in denen die Teilnehmer in die Rolle von Entscheidungsträgern schlüpfen. So entsteht Verständnis für die komplexen Vorgänge auf nationaler wie internationaler Ebene. Die Teilnehmer sehen, wie und an welcher Stelle der Einzelne im Verbund mit Gleichgesinnten Einfluss nehmen kann. Besonders beeindruckend sind Möglichkeiten, sich über simulierte Erfahrungen mit Amtsträgern auszutauschen, die in entsprechenden Situationen agierten. Dies kann eine Weiterung zu einem Programm wie das der Politikschulen im Andenraum beinhalten, die Jugendliche für Engagement und Übernahme von Verantwortung sensibilisieren und notwendiges Demokratiewissen liefern. Dies kann Ansätze umfassen, der Spaltung einer Gesellschaft entgegenzuwirken, indem soziales Engagement zu einem Teil praktischen Lernens wird. Soziale Kontakte, insbesondere, wenn sie über die eigene Bezugsgruppe hinausgehen, bauen innergesellschaftliche Grenzen ab und befördern Integration.
Neue Wege sind gefragt, Jugend mit Demokratie vertraut zu machen. Internet und soziale Medien sind ein zeitgemäßes Angebot. So unterstützt die Civics Academy die Demokratiebildung junger Südafrikaner, indem Videos und Podcasts, die auch über das Smartphone und auf YouTube abgerufen werden können, ein Forum öffnen, sich mit Fragen der südafrikanischen Gesellschaft auseinanderzusetzen und an moderierten Debatten teilzunehmen. Dies kann auch ein Weg sein, um der Radikalisierung einer Gesellschaft entgegenzuwirken. So erarbeitete in Kenia die Organisation Well Told Story eine Kommunikationsstrategie für Jugendliche zwischen 14 und 24 Jahren. Sie zentriert sich auf eine Comicserie, in der die Protagonisten bei der Lösung jugendrelevanter Probleme alternativen Ansätzen nachgehen. Shujaaz, so der Titel des Comics, ist keine geplante Geschichte, sondern entwickelt sich in der offenen Diskussion mit deren Helden in einem sicheren virtuellen Raum. Initiativen und Reaktionen der Nutzer verdichten sich zu Charakteren, die ihre eigene Geschichte und die ihrer Gesellschaft im Positiven wie im Negativen fortschreiben und gedruckt, als Beilage großer Tageszeitungen, ihre Leser finden. Dies ist in Kenia wie in Südafrika ein Weg, um für Engagement in der Gesellschaft einzutreten und letztlich aufzuzeigen, dass Gewalt und Intoleranz ins Abseits führen.
Bildung ist als beruflich relevante Bildung richtungsgebend auf dem Weg zu Qualifikation und Beschäftigung, aber als politische Bildung genauso unverzichtbar, um die Welt zu verändern.