Welche Rolle nimmt unabhängige Wissenschaft und Politikberatung in einer Zeit ein, die von Klimawandel, Polarisierung und Autokratisierung weltweit geprägt ist? Wie muss sich die Wissenschaft selbst, und als Teil dieser der Bereich der Entwicklungsforschung, reformieren, um transregionale und reziproke Wissenskooperationen als Instrumente transformativer Veränderung für nachhaltige Zukünfte zu leben?
Diese und weitere Fragen standen im Mittelpunkt des Jubiläumsfestakts, den IDOS gemeinsam mit dem Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AwZ) am 14. März im Bundestag ausrichtete. Anlässlich des 60. Jubiläums des IDOS, markierte die Veranstaltung den Auftakt unseres Jubiläumsjahres. Dabei möchte IDOS nicht nur einen Blick auf die zurückliegenden 60 Jahre Forschung, Politikberatung und Ausbildung für Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit werfen, sondern sich im Austausch mit nationalen und internationalen Partner*innen damit befassen, wie das Institut auch in Zukunft dazu beitragen kann, vor dem Hintergrund voranschreitenden Klimawandels und Artensterbens, sozialer Polarisierung und politischer Autokratisierung, demographischer Umverteilung und geopolitischer Spannungen, durch Forschung, Nachwuchsförderung für Wissenschaft und Praxis, Politikberatung und transregionale Wissenskooperation, die zunehmend multipolar geprägte Welt konstruktiv und kooperativ zu gestalten und gemeinsam nachhaltige und sozialgerechte Zukünfte zu ermöglichen.
Daran angelehnt, befasste sich die Jubiläumsveranstaltung am 14. März mit dem Beitrag der Entwicklungsforschung für die Ausgestaltung der deutschen Entwicklungspolitik. Die Veranstaltung begann mit einer Begrüßung von Dr. Christoph Hoffmann, Mitglied des Bundestages (MdB) und amtierender Vorsitzender des AwZ, der die Bedeutung wissenschaftlicher Grundlagen in einer Zeit, in der das Politikfeld der internationalen Entwicklungszusammenarbeit besonders unter Druck steht, hervorhob. In ihrer darauffolgenden Begrüßung, unterstrich Prof. Dr. Anna-Katharina Hornidge IDOS‘ Beitrag zur Entwicklung von Transformationspfaden für nachhaltige Zukünfte – Zukünfte im Plural, da IDOS anerkenne, dass es innerhalb der planetaren ökologischen, wie auch ökonomischen, sozialen und politischen Leitplanken, unterschiedliche Vorstellungen und Ausgestaltungen von nachhaltigen Zukünften weltweit gebe. Bundesministerin Svenja Schulze (BMZ) betonte in ihrer Keynote den sich verändernden geopolitischen Kontext, in dem das Vertrauen in den Multilateralismus zunehmend erschüttert sei. Vor diesem Hintergrund sei die Evidenz, die als Ergebnis IDOS‘ empirisch gestützter und anwendungsorientierter Forschung in die Politikberatung einfließe, von zentraler Bedeutung. So unterstütze IDOS in Krisen, helfe dabei, genauer hinzuschauen, zuzuhören und die Komplexität und Vielschichtigkeit politischer Ereignisse zu verstehen.
An die Begrüßungsworte und die Keynote anschließend, reflektierten Bundesministerin Schulze, MdB Volkmar Klein (CDU/CSU), MdB Ottmar von Holtz (Bündnis 90/ Die Grünen), Prof. Dr. Ursula Schröder (IFSH) und Dr. Sebastian Haug (IDOS), in der von Dr. Julia Leininger, Programmleiterin am IDOS, moderierten Podiumsdiskussion IDOS Rolle und Aufgaben in der Ausgestaltung der deutschen Entwicklungspolitik. Während Bundesministerin Schulze darauf hinwies, wie empirisch basierte Erkenntnisse und Empfehlungen aus der Wissenschaft beispielsweise die Entscheidung für eine feministische Entwicklungspolitik informierten, unterstrich Volkmar Klein die Bedeutung von IDOS‘ Forschungsarbeit für die Analyse von Wirkungszusammenhängen zwischen verschiedenen Themenfeldern der Entwicklungspolitik. Vor dem Hintergrund eines sich verändernden geopolitischen Kontexts, sprach Sebastian Haug über den Ausbau und das Umdenken von Partnerschaftsstrukturen, die im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit noch zu oft auf alten „Geber-Nehmer-Strukturen” beruhten. Auch Ottmar von Holtz wies darauf hin, dass ein neues Selbstbewusstsein von Ländern des sogenannten Globalen Südens die deutsche Entwicklungspolitik vor neue Herausforderungen stelle, beispielsweise in der Zusammenarbeit mit Ländern, die grundsätzlich verschiedene Wertvorstellungen haben. In Antwort auf Julia Leiningers Frage nach Brücken zwischen Sicherheits- und Entwicklungspolitik, hob Ursula Schröder den Beitrag der Entwicklungspolitik für Sicherheitspolitik hervor: „Gerade in Zeiten, in denen wir es mit Problemen zu tun haben, die nicht nur Grenzen überschreiten, sondern die global sind und planetare Dimensionen annehmen können, brauchen wir insbesondere Politik, die auf globale Kooperation ausgelegt ist und eine globale Gemeinwohlpolitik im Auge hat. Das sind Themen, die Kern der Entwicklungspolitik sind und die im Herzen der Arbeit von IDOS liegen.“
Die bei der Veranstaltung angestoßenen Reflektionen zur Zukunft der internationalen Entwicklungsforschung und –zusammenarbeit werden im Laufe des Jubiläumsjahres 2024 im Rahmen weiterer Jubiläumsveranstaltungen in Brüssel und Bonn mit anderen Schwerpunktesetzungen und in anderen Konstellationen fortgesetzt.
Bildliche Impressionen der Veranstaltung finden Sie auf Flickr (#60YearsIDOS | Flickr).
Eine längere YouTube-Video-Impression der Jubiläumsveranstaltung „60 Jahre IDOS“ finden Sie hier.<