Migrations- und Finanzströme dokumentieren das fehlende Vertrauen vieler afrikanischer Gesellschaften in ihre wirtschaftlichen und politischen Systeme. Bei der Lösung dieses Problems muss die Entwicklungszusammenarbeit mit der Wirtschaft zusammenarbeiten und zivilgesellschaftliche Strukturen stärken, um sich selbst sukzessive überflüssig zu machen.
Fehlendes Vertrauen
Die junge Generation Afrikas hat kein Vertrauen in die Zukunft ihres Kontinents. Symbolisch für diese Entwicklung stehen die vielen jungen Menschen, die jedes Jahr auf dem Mittelmeer ihr Leben aufs Spiel setzen, in der Hoffnung, am Wohlstand der europäischen Länder teilzuhaben, einen Job zu finden und der Familie zu Hause monatlich etwas Geld zu überweisen. Die Gründe für diese Migrationsströme, rasantes Bevölkerungswachstum und hohe Jugendarbeitslosigkeit, werden besonders in strukturschwachen, armen Ländern zu einem Problem. Betroffen sind aber auch afrikanische Länder, deren Wirtschaften eigentlich genug Kapital für dringend benötigte Investitionen generieren. Der Bedarf ist enorm, aber zu häufig findet das Geld seinen Weg nicht in den Kreislauf aus Investitionen und dem daraus resultierenden wirtschaftlichen Aufschwung, der wiederum für Investitionen genutzt werden könnte.
Denn ganz ähnlich wie die Jugend, aber unter völlig anderen Bedingungen, dokumentieren die kleinen, aber durchaus reichen Eliten Afrikas ihr fehlendes Vertrauen in die von ihnen selbst geschaffenen Strukturen und legen ihr Geld im Ausland an. Studien zu „Illicit Capital Flows“ – ein Begriff der mit Kapitalflucht nur unzureichend beschrieben ist – zeigen, dass den afrikanischen Staaten pro Jahr im Durchschnitt 60 Milliarden US-Dollar an Kapital verloren geht. Das Geld, das für Investitionen in Infrastruktur und Industrie dringend benötigt wird, landet in der Regel in den USA, Europa oder in Steuerparadiesen, also da, wo es sicher angelegt, aber einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung Afrikas am wenigsten förderlich ist.
In der Entwicklungszusammenarbeit ist auch die deutsche Wirtschaft gefragt
Nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit muss in diesem Zusammenhang zwei Ziele verfolgen. Erstens: Die Menschen in Afrika brauchen mehr Jobchancen. Die deutsche Wirtschaft hat weltweit einen exzellenten Ruf und deutsches Know-How und Wissenstransfer sind in Afrika gefragt. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und dem „Chancenkontinent Afrika“ lassen hingegen zu wünschen übrig: Das bilaterale Handelsvolumen zwischen Deutschland und Subsahara-Afrika belief sich 2015 auf etwa 26 Milliarden Euro,i von denen etwa zwei Drittel auf den Handel mit dem „Powerhouse“ Südafrika und dem größten Erdölproduzenten Afrikas, Nigeria, entfielen. Enge Wirtschaftsbeziehungen und fairer Handel sind die konsequente Weiterentwicklung einer auf Stabilität und Wohlstand ausgerichteten Entwicklungszusammenarbeit. Aus diesem Grund brauchen wir eine Investitionsinitiative der Privatwirtschaft. Der Staat kann hier z.B. durch Garantien und die Förderung freien und fairen Handels, aber auch durch Hilfe bei der dualen Berufsausbildung, zur Seite stehen.
Die Zivilgesellschaft muss Verantwortung einfordern
Zweitens: Gute Regierungsführung ist eine Grundvoraussetzung für ein stabiles politisches und wirtschaftliches Umfeld. Die Verantwortung, die afrikanische Politiker gegenüber ihren Bürger haben, fordert Deutschland zunehmend durch Konditionalität bei der Vergabe von Geldern ein. Viel effektiver und auch viel nachhaltiger ist es jedoch, wenn die Bürger von ihren Regierungen selbst gute Politik einfordern. Diese Forderung erscheint vielen möglicherweise banal, ist aber doch der Kern des Prinzips „Hilfe zur Selbsthilfe“, der in der alltäglichen Praxis oft untergeht. Mehr noch: die Zukunft der Entwicklungszusammenarbeit wird maßgeblich davon bestimmt, wie erfolgreich wir darin sind, wirtschaftliche Entwicklung und gute Regierungsführung in die Hände der Bevölkerung zu legen. Denn wer einen Job hat und Steuern bezahlt, der hat ein starkes Interesse daran zu fragen, was mit dem Geld gemacht wird.