Wir befinden uns ständig in einem Prozess der Entwicklung – die Welt dreht sich jeden Tag weiter, alle gehen immer einen Schritt nach vorn. Wir arbeiten in Entwicklungsprojekten und entwickeln uns individuell weiter, zum Beispiel durch das Postgraduierten-Programm. Es ist also ein Prozess, der niemals stillsteht, auch wenn wir zu Gewohnheiten neigen. Diese gewohnten Strukturen müssen manchmal angepasst werden, an das Neue, auf das wir oft keinen Einfluss haben.
Wie die Vereinten Nationen (UN) diese Anpassungsprozesse innerhalb ihres Entwicklungssystems (UNDS) organisiert, untersuchen wir momentan in unserer Forschung. Während der letzten Monate sind wir dabei unerwartet stark von der zweiten Welle der Pandemie beeinflusst worden. Für unsere Forschung bedeutet das viel Wandel und vor allem: Digitalisierung. Unser Projekt über die UNDS-Reform, einst mit einem mehrmonatigen Aufenthalt in Südafrika geplant, findet nun von Deutschland aus, aber dank der digitalen Möglichkeiten, doch weltweit statt.
Der vermeintliche Verlust entpuppte sich in den letzten Wochen in unserem besonderen Fall als Gewinn. Dadurch, dass wir nicht mehr vor Ort sein müssen, können wir weltweit Daten erheben und unsere Forschungsfragen nun in Côte d’Ivoire, Georgien und Uganda untersuchen. Wir merken als Forschungsteam, das den Wandel eines gesamten Systems untersucht, dass auch wir unsere gewohnten Strukturen manchmal ändern müssen, um voran zu kommen. Wir haben die seltene Chance, eine für uns neue Art der Forschung zu betreiben und Akteur*innen zu erreichen, wie es durch Reisen in so kurzer Zeit nicht möglich gewesen wäre. Ob es nicht enttäuschend ist, dass wir nicht vor Ort interkulturelle Erfahrung sammeln können? Natürlich. Und wir gehen auch davon aus, dass wir durch die digitale Arbeitsweise einen geringeren Zugang zu Stakeholdern – vor allem jenseits des UN-Systems – in den Ländern haben werden.
Doch für unsere Studie, so scheint es uns, überwiegen die Vorteile der digitalen Forschung. Wir sind uns sehr bewusst, dass wir damit in einer privilegierten Position sind. Und so hoffen wir, dass wir uns selbst in diesem Prozess so weit entwickeln, dass wir in Zukunft besser einschätzen können, für welche Vorhaben wir die Chancen der digitalen Forschung als sinnvolle Alternative zu mit klimaschädlichen Reisen verbundener Feldforschung nutzen können – und für welche Vorhaben digitale Herangehensweisen weniger gut geeignet sind. Wir haben als Team die seltene Chance, eine wertvolle digitale Untersuchung zu einem weltweiten System durchzuführen und sind sehr dankbar, während dieser schweren Zeit solche großen Schritte nach vorne machen zu können.