Gastwissenschaftler*innen Aufenthalt in Tromsø/Romsa (Norwegen)
Im April und Mai 2023 war Jacqueline Götze, wissenschaftliche Mitarbeiterin am IDOS im DFG-finanzierten Forschungsprojekt zu Nachhaltiger Städtischer Entwicklung in der Europäischen Arktis (SUDEA) als Gastwissenschaftlerin am Centre for Sámi Studies an der Arctic University of Norway (UiT).
Tromsø/Romsa ist eine von sieben Fallstudien, die das SUDEA Team mit Blick auf Fragen transnationaler Kooperation und nachhaltiger Stadtentwicklung untersucht. An der UiT arbeitete Jacqueline Götze eng mit Professorin Else Grete Broderstad zusammen, die Expertin im Bereich der Beziehungen zwischen den Sámi und dem Nationalstaat ist und sich dabei insbesondere auf die politische Repräsentation der Sámi in den nordischen Staaten konzentriert. Für die Beziehungen zwischen der EU und den Sámi spielt der Nationalstaat eine wichtige Rolle und kann die Interaktionsmöglichkeiten zwischen samischen Organisationen und EU-Institutionen prägen. Jacqueline Götze konnte ihre Doktorarbeit zu samischer Beteiligung auf EU-Ebene in verschiedenen Austauschformaten am transdisziplinären Institut vorstellen und mit Kolleg*innen diskutieren. Außerdem traf sie Repräsentant*innen des Sámi Parliaments in Norway, dem Arctic Indigenous Peoples Secretariat und dem Norwegian Institute for Cultural Heritage Research, um Ergebnisse ihrer Forschung weiter zu erörtern. Der Austausch mit Stimmen aus Norwegen als nicht EU-Mitgliedsstaat- aber mit steigender Bedeutung für die Energieversorgung der EU und damit verbundenen Effekten auf traditionelle Landnutzung- unterstützte die Einordnung von Jacquelines Götzes Forschungsergebnissen.
Neben dem Forschungsaufenthalt in Tromsø/Romsa konnte sie darüber hinaus die Sámi Parliaments in Norway (in Karasjok/Kárášjohka) und in Finnland (Inari/Anár) sowie den wichtigen Ort Alta/Álaheadju (in Finnmark, Norwegen) für eine ergänzende Datenerhebung besuchen. Alta steht für samischen Widerstand gegen staatliche Einflüsse auf traditionelle Landnutzung und Lebensstile. In den 1960er und 1970er Jahren wurde der Ort aufgrund von Plänen zum Bau eines Wasserkraftwerks in der Region zu einem Symbol für eine sich verändernde samische Politik. Der Fall Alta führte zur Bildung neuer samischer Institutionen, der Änderung der Norwegischen Verfassung zur Anerkennung der Sámi als indigenes Volk und veränderte damit die Beziehung zwischen den nordischen Nationalstaaten und den Sámi grundlegend, da die Veränderung auf der norwegischen Seite von Sápmi auch die Rechte und die Vertretung der Sámi auf der schwedischen und finnischen Seite beeinflusste.
Auch Tromsø, eine Hafenstadt ca. 350 km nördlich des Polarkreises, gehört zum Sámi Homeland (Sápmi), dem traditionellen Gebiet des indigenen Volks in den nördlichen Teilen Norwegens, Schwedens, und der Kola Halbinsel in Russland. Die Einwohner*innenzahl ist in den letzten Jahrzehnten deutlich angestiegen. Die internationale Stadt hat Einwohner*innen aus 139 Nationen und beherbergt die größte Universität der Region sowie viele andere Forschungsinstitute, das Sekretariat des Arktischen Rats und ein Büro des Sámi Parliaments in Norway, was Tromsø/Romsa zu einem interessanten Fall für die Untersuchung von transnationalen Kooperationsformaten macht. Die reiche und diverse Kulturszene in der Stadt macht samische Kulturen, Traditionen, politische Institutionenbildung erlebbar und bietet einen Eindruck von der (post)kolonialen Beziehung zwischen dem indigenen Volk und dem Nationalstaat. Tromsø/Romsa präsentiert sich selbst als ‚Gateway to the Arctic‘ und wurde über die Jahre zum beliebten Tourismusziel mit einem kontinuierlich wachsenden Flugtourismus, was den Charakter des traditionellen Fischerorts veränderte und sich auch auf das Leben in der Stadt auswirkt. Mit Bezug auf Fragen nachhaltiger Stadtentwicklung sieht nicht jede*r die steigenden Tourismuszahlen als positiv und einige empfinden, dass die Stadt mehr und mehr an den Bedürfnissen von Tourist*innen ausgerichtet wird als an denen der Einwohner*innen, während andere auf diese Tourismuseinnahmen angewiesen sind. Zusammen mit Oslo ist Tromsø/Romsa die teuerste Stadt Norwegens mit Blick auf Grundstückspreise und Mieten, was auch den Umstand beschreibt, dass viele Menschen abhängig vom Tourismus sind, da sie beispielsweise Airbnb Einnahmen nutzen, um ihre eigenen Häuser und Wohnungen zu finanzieren.