Binnenvertreibung in Afghanistan und afghanische Geflüchtete in der Region – so lautete das Thema einer Online-Podiumsdiskussion, die das Verbundprojekt FFVT organisiert hat.
Das Verbundprojekt Flucht- und Flüchtlingsforschung: Vernetzung und Transfer (FFVT) hat am 8. November 2021 eine Online-Podiumsdiskussion zum Thema „Binnenvertreibung in Afghanistan und afghanische Geflüchtete in der Region“ veranstaltet. Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen diskutierten und bewerteten die aktuelle Situation. An einer lebhaften Debatte beteiligten sich Mojib Atal (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg), Muhammad Mudassar Javed (Society for Human Rights and Prisoners‘ Aid [SHARP], Pakistan), Dr. Sibel Karadağ (Kadir Has University, Türkei), Dr. Katja Mielke (Bonn International Centre for Conflict Studies) und Dr. Hidayet Siddikoglu (Billim Research and Social Studies, Afghanistan). Sie teilten ihr Fachwissen über gewaltsam vertriebene Afghan*innen in Afghanistan, Pakistan, im Iran und in der Türkei.
Die Diskussion verdeutlichte die Komplexität der Situation in Afghanistan und in der Region und gab Denkanstöße zur Reflexion von Fluchtfragen im Allgemeinen. Demnach war der Zusammenbruch der afghanischen Regierung und die anschließende Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 angesichts der Entwicklung der letzten Jahre und der langjährigen Kriegsgeschichte des Landes keine Überraschung. Entgegen der häufigen Darstellungen in der Öffentlichkeit und in den sozialen Medien sei es auch unwahrscheinlich, dass die aktuelle Situation einen „neuen afghanischen Exodus“ auslöse. Dennoch bestehe ein unmittelbarer Bedarf an humanitärer Hilfe und die Notwendigkeit von weiteren umgehenden Maßnahmen durch die internationale Staatengemeinschaft, um gewaltsam vertriebene Afghan*innen in ihrem Land und in der Region besser zu schützen und zu unterstützen. In einem breiteren Kontext betrachtet und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Flucht und Vertreibung zentrale Charakteristika des 21. Jahrhunderts sind, sei die Situation der Afghan*innen beispielhaft für Fragen von zunehmenden globalen Ungleichheiten. Dabei versuchen reiche Länder Migrationsfragen zu externalisieren, indem sie periphere Länder als Gatekeeper einsetzen. Gleichzeitig versuchen ärmere Aufnahmeländer, Geflüchtete strategisch als Verhandlungsmasse in internationalen Verhandlungen einzusetzen.
In ihren abschließenden Erklärungen teilten die Podiumsgäste Politikempfehlungen für die internationale Staatengemeinschaft. Demnach solle die internationale Staatengemeinschaft durch internationale Organisationen mit den Taliban zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass humanitäre Belange in Afghanistan berücksichtigt werden. Darüber hinaus sei es notwendig, Afghan*innen durch internationale Abkommen mittel- und langfristige Perspektiven im Land zu bieten. Außerdem wurde in einem der Appelle die Annahme eines migrationspolitischen Rahmens in Anlehnung an die bestehenden Mechanismen zwischen der Europäischen Union und der Türkei gefordert.