Zukunft der EU – Zukunft der Entwicklungspolitik

Image: Verschiedene Globen

Globale Herausforderungen brauchen globale Lösungen.

Spätestens die Auswirkungen der Flüchtlingskrise sollten uns allen bewusstgemacht haben, wie wichtig eine umfassende Entwicklungspolitik ist. Bis heute sind Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg, Terror, Hunger und Elend. Diese Not sollte uns Europäern – gerade vor dem Hintergrund unserer eigenen konfliktreichen Geschichte – Grund genug sein, schnellstens auf nachhaltige Lösungen im Sinne dieser Menschen hinzuwirken.

 

 

Dies ist nicht zuletzt in unserem eigenen Interesse: Unsere außen- und sicherheitspolitischen Ziele gehen Hand in Hand mit der moralischen Verantwortung, für unsere europäischen Werte auch über die Grenzen Europas hinaus einzutreten. Entwicklungspolitik ist dabei – neben der Diplomatie und der Verteidigung – eine von drei Säulen, auf denen das auswärtige Handeln der Europäischen Union beruht. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hat dieses Konzept der „drei D’s“ (Diplomacy, Development, Defence) im Juni 2016 mit ihrer Globalen Strategie zu den Leitlinien der EU-Außenpolitik gemacht. Nur eine Kombination dieser Elemente wird zielführend sein.

Mehr Aufmerksamkeit für Afrika

Von großer Bedeutung wird unser Umgang mit der enorm schwierigen Situation in Afrika sein. Insbesondere die Staaten in Subsahara-Afrika bedürfen unserer Aufmerksamkeit; der Großteil von ihnen zählt zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Erde. Längst sollten wir erkannt haben, dass die herkömmlichen Ansätze der Entwicklungspolitik hier nicht ausreichen; sie haben sich in den vergangenen Jahrzehnten als nicht erfolgreich erwiesen. Hingegen benötigen wir als EU ein umfassendes Gesamtkonzept für diese Region. Dieses soll eine Vielzahl von Instrumenten aus unterschiedlichen Politikbereichen koordinieren und zielgerichtet anwenden. Von einer strategischeren Handels- und Umweltpolitik über die Bekämpfung von Korruption bis hin zu militärischen Einsätzen müssen wir unsere Aktivitäten zu einer kohärenten Politik zusammenführen. Als weltweit größter Entwicklungshilfegeber besitzt die EU dabei wichtige finanzielle Hebel: Mit 68 Milliarden Euro (im Jahr 2015) stammt mehr als die Hälfte der globalen Entwicklungshilfe aus der EU. Auch im Verhältnis zur jährlichen Wirtschaftsleistung geben wir mit 0,47 Prozent mehr als doppelt so viel wie Nicht-EU-Staaten (0,21 Prozent).

Die höchste Priorität der EU-Entwicklungspolitik ist laut Verträgen „die Bekämpfung und auf längere Sicht die Beseitigung der Armut“ (Art. 208 AEUV). Im Einklang mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung (Agenda 2030) der Vereinten Nationen zählt hierzu wesentlich die Sorge um die einfachen Grundbedürfnisse der Menschen: etwa Nahrungsmittel und sauberes Wasser oder die Bekämpfung von Krankheiten und Seuchen. Auch die Gewährleistung von Schulbildung gehört dazu. Der ehemalige UN-Generalsekretär Ban-Ki Moon hat über unsere Verantwortung gesagt: „Wir können die erste Generation sein, der es gelingt, die Armut zu beseitigen, ebenso wie wir die letzte sein könnten, die die Chance hat, unseren Planeten zu retten.“

Gute Regierungsführung als Voraussetzung

Weiterhin sind die Herstellung und Gewährleistung von Frieden und Sicherheit sowie unser Einsatz für Menschenrechte und Demokratie ganz zentral. Eine zielgerichtete Unterstützung beim Aufbau demokratischer, transparenter und effizienter Institutionen in Afrika ist ein wichtiger Baustein für eine nachhaltig positive Entwicklung unseres Nachbarkontinents. Gute und effektive Regierungsführung („good governance“) ist eine wesentliche Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung und Frieden. Der Kampf gegen Korruption und gegen illegale Finanztransfers ist in diesem Kontext ein weiterer wichtiger Aspekt. Aus Afrika heraus betragen diese jährlich 55 Milliarden Dollar.

Auch im Hinblick auf Herausforderungen mit globaler Dimension ist unser Einsatz dringend gefordert. Von besonderer Relevanz ist hierbei der Klimawandel mit seinen Folgen. Wir müssen jetzt handeln, um die zu erwartenden Probleme zumindest abzumildern. Die globale Erwärmung wird zunehmend Auseinandersetzungen um Gebietsansprüche, Nahrungsmittel, Wasser und andere Ressourcen nach sich ziehen und letztlich ganze Gesellschaften und Volkswirtschaften ins Wanken bringen; sie ist eine immer relevantere Ursache von Migrationsbewegungen. Auf den Punkt gebracht: Der Klimawandel wird die regionale und globale Stabilität bedrohen. Es ist daher im europäischen Eigeninteresse, diese Probleme schnellstens zu lösen, bevor wir deren Auswirkungen in Europa noch stärker zu spüren bekommen.

EU-Markt als Anreiz

Neben direkter finanzieller, technischer und humanitärer Hilfe müssen wir vor allem handelspolitische Maßnahmen sowie unsere sicherheits- und verteidigungspolitischen Instrumente zum Erreichen der genannten Ziele nutzen. Im Sinne der von der EU-Kommission verabschiedeten Handelsstrategie „Handel für alle“ sollte die Förderung der Menschenrechte stärker hervorgehoben und die Position der EU als Handelsblock genutzt werden. Mit unserem riesigen Binnenmarkt sind wir Europäer der wichtigste Handelspartner für die Entwicklungsländer. Ein zollfreier Zugang zum EU-Markt etwa soll Anreiz zur Übernahme internationaler Standards in Bezug auf Grund-, Umwelt- und Arbeitnehmerrechte sein. Mit diesen wirtschaftlichen Instrumenten besitzen wir starke Steuerungselemente für politische Reformen. Im Einsatz gegen Krieg und Terror dürfen wir jedoch auch vor militärischen Maßnahmen zur Herstellung von Frieden und Sicherheit nicht zurückschrecken.

Klar ist: Nur eine spürbare Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen in den ärmeren Gegenden dieser Welt wird entscheidend dazu beitragen, die Wurzeln politischer und gesellschaftlicher Instabilität zu beseitigen. Armut, mangelnde wirtschaftliche Möglichkeiten, bewaffnete Konflikte, schlechte Regierungsführung, Klimawandel, schlechte Trinkwasserversorgung und verfehlte Handelspolitik gehören zu den Ursachen der meisten Probleme und verstärken sich gegenseitig. Afrika braucht aber auch erhebliche Unterstützung für eine moderne Infrastruktur- und Technologieförderung auch unter Nutzung von privatem Kapital unter Einschaltung von Förderbanken wie der EIB (Europäischen Investitionsbank) und der KfW. Diese und andere Felder dürfen nicht der aggressiven Afrikapolitik Chinas, das sich so Macht über Rohstoffvorkommen und Agrarland erkauft, überlassen werden.

Das Verhältnis von deutscher Entwicklungspolitik und EU-Außenpolitik

Als glaubwürdiger Verfechter von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten besitzt die EU ein enormes Potenzial. Unser politischer und gesellschaftlicher Umgang mit den Erfahrungen aus zwei Weltkriegen und unser durch die europäische Integration erlangter wirtschaftlicher Wohlstand gelten weltweit als Vorbild für das Miteinander von Staaten und regionale Zusammenarbeit. Hierauf müssen wir in der Entwicklungspolitik aufbauen. Wir sollten dabei verstärkt die Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union suchen. Der erste EU-Afrika-Gipfel im Jahr 2000 hat einen Prozess in Gang gesetzt, der mittelfristig zu einer strategischen Partnerschaft mit dem gesamten Kontinent führen soll. Diese bietet Chancen für beide Partner.

Mit einer koordinierten Entwicklungspolitik – eingebettet in unsere Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) – können wir als EU viel zielgerichteter wirken. Eine effektive europäische Zusammenarbeit im Sinne der Globalen Strategie ist jedoch nur mit großem Engagement, Eigenverantwortlichkeit, politischem Willen und Führungskraft seitens der Mitgliedstaaten möglich. Die Zukunft der deutschen Entwicklungspolitik ist somit eng mit der zukünftigen Entwicklung der EU-Außenpolitik verknüpft. Unserer enormen politischen und wirtschaftlichen Macht, aber auch unserer moralischen Verantwortung müssen wir uns bewusst sein.

Ein umfassender Entwicklungsbegriff umfasst mehr als klassische Entwicklungspolitik. Flüchtlingskrise, Terror und militärische Konflikte, faire Rohstoff- und Handelspolitik, good governance und manches mehr müssen Teil einer ganzheitlichen ressortübergreifenden Afrikapolitik werden, die altes Schubladen- und Kompetenzdenken überwindet. Auch ist die Koordination und Arbeitsteilung von nationaler und europäischer Afrikapolitik immer noch höchst mangelhaft – oft aus Engstirnigkeit. Unsere Bürger müssen wissen, dass Afrika, dessen Bevölkerung sich in 25 Jahren verdoppeln wird, auch eine Frage der Sicherheit für sie ist.

Elmar Brok gehört seit 1980 dem Europäischen Parlament an und ist damit dessen dienstältestes Mitglied. Von 1999 bis 2007 und erneut von 2012 bis 2017 war er Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten, zudem ist er Mitglied des Ausschusses für konstitutionelle Fragen. Derzeit ist Brok als Brexit-Beauftragter der EVP-Fraktion einer von drei Europaabgeordneten, die in die Verhandlungen um den EU-Austritt des Vereinigten Königreichs eingebunden sind.

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