Klima schützen, Ungleichheit bekämpfen – Leitplanken für eine gerechte Globalisierung

Image: Nachhaltige Entwicklungsziele

Aufbruch mit klaren Zielen

Die Agenda 2030 von New York und das Klima-Abkommen von Paris haben einen Aufbruch mit klaren Zielen versprochen. Alle Länder, unabhängig von ihrem Entwicklungsstatus, wollen Hunger und Armut abbauen, Wohlstand gerechter verteilen und so wirtschaften, dass unsere Lebensgrundlagen erhalten bleiben. Um das zu erreichen, braucht es einen Paradigmenwechsel quer durch alle Politikfelder.

 

Trotz der Fortschritte bei der Armutsbekämpfung leben nach UN-Angaben immer noch rund 800 Millionen Menschen in extremer Armut bzw. leiden Hunger. Dabei rechnen diese Statistiken die Probleme eher noch klein. Armut hat dabei allen voran ein weibliches Gesicht. Frauen und Mädchen sind in besonderem Maße von Ausgrenzung, Ausbeutung und Armut betroffen. Noch immer arbeitet fast die Hälfte der Erwerbstätigen rund um den Globus unter menschenunwürdigen Bedingungen. Weltweit sind über 65 Millionen Menschen auf der Flucht vor bitterer Armut, brutalen kriegerischen Auseinandersetzungen und den weitreichenden Auswirkungen der Klimakrise. Darüber hinaus wird die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer. Die unfassbare Form der Vermögenskonzentration ist nicht nur unfair, sondern auch gefährlich. Sie führt dazu, dass Teile der Bevölkerung von politischer Teilhabe nahezu ausgeschlossen sind, während finanzstarke Unternehmen und Privatpersonen über unverhältnismäßigen politischen Einfluss verfügen. Sie steuern damit globale Handelsströme und Investitionen und bestimmen verstärkt die gesellschaftlichen Entwicklungen ganzer Nationen. Das ist mit demokra­tischen Prinzipien nicht vereinbar. In einigen Ländern führt dies zur Destabilisierung der sozialen Strukturen bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen.

Entwicklungsland Deutschland

Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, müssen die Agenda 2030 und das Paris-Abkommen gewissenhaft konsequent umgesetzt werden. Anders als bisher, richten sich die Nachhaltigkeitsziele nicht mehr nur allein an die Länder des Globalen Südens, sondern an alle Staaten. In diesem Sinne ist auch Deutschland Entwicklungsland. Leider verweigert sich die Bundesregierung dem in New York und Paris vereinbarten Aufbruch und konterkariert die notwendige sozial-ökologische Transformation. Ohne wirksame Reformen und einen fundamentalen Kurswechsel kann dieser aber nicht gelingen.

Aufgrund unserer Produktions- und Konsummuster nimmt der weltweite CO2-Ausstoß immer weiter zu. Mit unserer Handels- und Agrarpolitik zerstören wir die lokalen Märkte in Afrika. Mit deutschen Waffen befeuern wir in Krisengebieten kriegerische Auseinandersetzungen. Kinderarbeit auf Kakaoplantagen, Hungerlöhne in asiatischen Textilfabriken und Rohstoffe, die bewaffnete Konflikte finanzieren, sind nur einige Beispiele für Menschenrechtsverletzungen in den globalen Lieferketten. Das alles macht deutlich, dass es einer grundlegend anderen Politik bedarf, damit Entwicklungspolitik und eine werteorientierte Außenpolitik nicht konterkariert werden.

Deutschland gehört zu den Spitzenreitern beim Fleischverbrauch, der Kohleverstromung und ist außerdem das Land in der Eurozone mit der größten sozialen Ungleichheit. Die politisch Verantwortlichen nehmen trotz Kenntnis der Verhältnisse immer noch in Kauf, dass unser Export, Wachstum und Konsum anderswo zu Armut, Raubbau an der Natur und Zukunftslosigkeit führen.

Wir müssen deshalb zu allererst bei uns ansetzen, anstatt auf Andere zu zeigen. Das bedeutet aber auch, dass die Bundesregierung das fast 50 Jahre alte Versprechen 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklung bereitzustellen, endlich einlösen muss. Und zwar ohne die fragwürdige Anrechnung von Flüchtlingskosten und einer trickreichen doppelten Anrechnung von Klimageldern. Aber auch 0,7 Prozent reichen bei Weitem nicht aus. Der Grundsatz „global denken, lokal handeln“ gilt mehr denn je. Wir müssen globale Strukturen ändern, um den Ländern des Globalen Südens eine faire Chance auf Entwicklung zu geben. Und wir müssen bei uns in Deutschland und Europa damit anfangen.

Globalisierung neu gestalten

Die Globalisierung muss im Sinne der globalen Nachhaltigkeitsziele und des Versprechens von Paris gestaltet werden. Nur so kann Entwicklungspolitik ihrer Aufgabenstellung gerecht werden. Nachhaltige Entwicklung hört nicht an der Armutsgrenze auf. Vielmehr verlangt sie einen weltweiten gesellschaftlichen, sozialen und ökologischen Umbau. Vier Punkte sind dabei besonders wichtig.

Erstens braucht es eine gerechte Handels- und Investitionspolitik und ein Ende der Ausbeutung in den globalen Lieferketten. Die EU-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Afrika, die EPAs (Economic Partnership Agreements), müssen gestoppt und im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung neu verhandelt werden. Wir müssen auf eine asymmetrische Marktöffnung statt eine weitgehende Liberalisierung setzen. In internationalen Lieferketten müssen Menschenrechte geachtet und Umweltstandards eingehalten werden. Hierzu braucht es endlich gesetzlich verankerte, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen, die für die gesamte Lieferkette gelten. Kommt es dennoch zu Menschenrechtsverletzungen, müssen Sanktionen gegen Unternehmen verhängt und Klagemöglichketen für Opfer geschaffen werden.

Zweitens muss die globale Steuer- und Finanzmarktarchitektur dem Gemeinwohl dienen. Notwendig sind Regeln, die verhindern, dass Kapital aus dem globalen Süden weder illegal noch illegitim in den Norden fließt. Steuerschlupflöcher müssen konsequent geschlossen und den Steuervermeidungstaktiken von Unternehmen durch verbindliche internationale Regeln das Handwerk gelegt werden. Nur so kann der sozialen Ungleichheit innerhalb und zwischen den Nationen begegnet werden.

Drittens fängt die globale Agrarwende bei uns in Europa an. Die Massentierhaltung und Intensivlandwirtschaft darf nicht weiter gefördert werden. Sie überfluten Entwicklungsländer mit billigen Produkten. Das verschärft die Armut in den Ländern des Globalen Südens und bietet bäuerlichen Betrieben bei uns kaum Perspektiven. Dass im 21. Jahrhundert Menschen weiter Hunger leiden, ist ein Skandal! Statt des Modells einer industriellen Agrarwirtschaft, muss die kleinbäuerliche agrarökologische Landwirtschaft gefördert werden. Statt Saatgut zu privatisieren, müssen wir es als Gemeingut schützen. Statt überzogene Nahrungsmittelspekulationen zu erlauben, muss die Umsetzung des Rechts auf Nahrung vorangetrieben werden.

Zu guter Letzt ist der Klimawandel spürbarer denn je – vor allem für die Ärmsten in den Ländern des Globalen Südens. Während in Somalia die schwerste Dürre seit mehr als 60 Jahren herrscht, drohen gleichzeitig die Kiribati-Inseln im Meer zu versinken. Der Schutz des Klimas, der Biodiversität, aber auch unserer Meere muss eine zentralere Rolle in der internationalen Zusammenarbeit einnehmen. Die Anpassung an den Klimawandel muss stärker denn je in den entwicklungspolitischen Fokus. Gleichzeitig müssen Akteure (wie Entwicklungsbanken) verpflichtet werden, keine Investitionen in fossile Energien mehr zu tätigen oder zu fördern. Investitionen müssen vielmehr in nachhaltige Energieformen gelenkt werden. Nur wenn wir unsere Ressourcen schonen und das Klima schützen, ist eine nachhaltige Entwicklung möglich.

Image: Uwe Kekeritz

Uwe Kekeritz, Diplom-Volkswirt, MdB Ordentliches Mitglied und Obmann im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Sprecher für Entwicklungspolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen

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