Aufstrebende Mächte – Mehr deutsches Engagement!

Image: Baustelle in der Dämmerung

Aufstrebende Mächte einbinden.

Unsere Kooperation mit aufstrebenden Mächten ist in unserem Eigeninteresse und als Kooperation auch ein Selbstzweck: nur über Zusammenarbeit können wir auch eine ausreichende Vertrauensbasis zur gemeinsamen Problemlösung schaffen. Wir bewegen uns zunehmend in einer „Welt der Unsicherheiten“ und benötigen Partner für Problemlösungen, regional wie auch global.

 

Eigentlich gibt es mit aufstrebenden Mächten kaum noch Gründe für „klassische Entwicklungspolitik“, wenn wir diese verstehen als finanzielle Unterstützung. Seit dem Ende des Kalten Krieges haben wir den Aufstieg einer Reihe von Staaten erlebt, die erfolgreich die absolute Armut unter ihren Bürgern reduziert haben und deren Mittelklasse wächst. China und Indien sind allein schon aufgrund der Bevölkerungszahlen sehr gewichtig, aber auch Brasilien, Indonesien, Mexiko oder Südafrika sind international bedeutsam. Und weitere Staaten gewinnen an regionalem und globalen Profil, etwa Kolumbien, Vietnam, Iran oder das ohnehin relevante Nigeria.

Gute Nachrichten

Es ist grundsätzlich eine gute Nachricht, dass Staaten aufsteigen: China oder selbst das wirtschaftlich schwächelnde Brasilien oder das stagnierende Südafrika haben in der Regel selbst genügend Ressourcen bzw. könnten durch andere (Steuer)Politik oftmals auch deutlich stärker lokale Finanzen mobilisieren. Technisches Wissen ist in aufstrebenden Mächten in beträchtlichem Maße vorhanden und kann – bei verantwortlicher Regierungsführung – für die nationale Entwicklung genutzt werden. Somit ist unsere klassische Entwicklungszusammenarbeit in aufstrebenden Mächten weniger dringlich geworden. Zurückziehen sollten wir uns trotzdem nicht, denn zugleich wird internationale Zusammenarbeit für Entwicklung bedeutsamer.

Diese aufstrebenden Staaten verfügen über die nötigen Ressourcen und den Willen, sich international zu engagieren . Der Aufstieg einer Mittelklasse in diesen Ländern (und anderswo) schafft einerseits ein besseres Leben für Millionen Menschen und erhöht den Druck auf die jeweiligen Regierungen, ihre Politik auf Wohlstandserhaltung bzw. -mehrung auszurichten. Problemlösungen werden gefragt und der Blick auf die möglichen Bedrohungen des (verhältnismäßig bescheidenen) Wohlstands schärft sich. Dies bedeutet nicht notwendigerweise, dass unsere Wertesysteme sich gleichsam „automatisch“ angleichen würden. Aber es gilt anzuerkennen, dass Akteure aus aufstrebenden Mächten – auch jenseits der staatlichen Ebene – sich stärker in der Weltpolitik engagieren, auch weil im 21. Jahrhundert in ihrer eigenen Erfahrung ihr Aufstieg über globale Vernetzung erfolgte.

Ansatzpunkte für Deutschland

Hier muss Deutschland ansetzen. Die Bundesrepublik hat bilaterale strategische Partnerschaften unter anderem mit China, Indien, Südafrika, Indonesien, Brasilien und Vietnam. Ein wirklicher Dialog mit zunehmend selbstbewussten Partnern findet nur dann statt, wenn wir Unterschiede akzeptieren und anstreben, sie über eine gemeinsame Lösungssuche in der Zukunft zu überwinden. Wo immer möglich sollten Zukunftsaufgaben auch in trilateraler Kooperation konkret bearbeitet werden. Zentral bleiben jedoch gemeinsame europäische Ansätze . Verglichen mit aufstrebenden Mächten sind Europas Nationalstaaten in Fläche und Bevölkerung verhältnismäßig klein – auch Deutschland. Auf der Ebene der Europäischen Union bestehen strategische Partnerschaften, die für einen ernsthaften Dialog zu globalen Fragen genutzt werden, um Gemeinsamkeiten auszuloten, und global Probleme gemeinsam zu bearbeiten, etwa im Klimaschutz und dem Schutz der Meere. Wichtig sind für diese Ziele auch die gemeinsame Abstimmung mit Blick auf multilaterale Organisationen für Frieden und Sicherheit, Handel sowie Entwicklung.

Globale Vernetzung erfordert lokales und globales Handeln

Die globale Vernetzung ist ein Fakt, der durch Einigeln nicht hinfällig wird. Die aufstrebenden Mächte erfahren ihren Zuwachs an internationaler Bedeutung als ungeheure Erweiterung ihrer Möglichkeiten. Neue Partner bieten sich an, neue Handelsmöglichkeiten entstehen, neue Horizonte tun sich auch für ihre Bürger auf. Diese positive, mitunter hemdsärmelige Haltung, ist oftmals grundlegend anders in der „entwickelten“ Welt.

Während auch „im Norden“ finanzkräftige Akteure neue Möglichkeiten nutzen, empfinden sich Teile der Bevölkerung in wohlhabenderen Ländern nun unter Konkurrenzdruck und ihre soziale Situation wird prekärer. Allerdings: Nationalistische, populistische Tendenzen missverstehen internationale Begegnung als Nullsummenspiel, bei dem es darum geht, „die andere Seite“ in die Defensive zu bringen, um eigene Vorteile nutzen zu können. Dies zerstört Vertrauen. Wichtig sind prinzipienfeste Beziehungen, die Unterschiede ehrlich und direkt benennen, und darüber hinaus Anknüpfungspunkte für gemeinsame Interessen suchen.

Wer sein Schicksal in einer vernetzten Welt in die Hand nehmen will, kann sich nicht abschotten, sondern muss lokal und global, national und multilateral agieren. Das gilt für eine Handelsnation wie Deutschland und andere europäische Partner ebenso wie für die global zunehmend vernetzten Wirtschaften Chinas, Brasiliens, Südafrikas, Mexikos, Indiens oder Indonesiens. Entwicklungszusammenarbeit mit diesen Staaten ist damit nicht hinfällig geworden, sondern verschiebt ihren Fokus hin zu globalen Problemlösungen .

Nachhaltige Entwicklung kein gradliniger, aber gemeinsamer Weg

Planetare Grenzen bedeuten ein gemeinsames Schicksal: Mit der Agenda 2030 haben wir eine global beschlossene Agenda, die verschiedenste Aspekte der nationalen Entwicklung wie auch der internationalen Zusammenarbeit umfasst. Alle Staaten haben ihr zugestimmt – und viele aufstrebende Mächte sind sich der sozialen und ökologischen Herausforderungen sehr wohl bewusst, die mit Entwicklungserfolgen einhergehen. Delhi und Peking leiden unmittelbar unter Luftverschmutzung, Südafrika mittelbar unter Dürre und Starkregen, und Brasilien hat, wie auch Südafrika, starke soziale Verwerfungen. Entwicklung ist kein gradliniger Weg, bei dem ein einmal erreichter Durchbruch einen Rückfall in Turbulenzen ausschließt.

Mit einer Nachhaltigkeitsagenda – auch rein machtpolitisch gedacht – kommen wir um die aufstrebenden Mächte nicht mehr herum. Wir mögen in einzelnen Wirtschaftsbereichen miteinander konkurrieren und nicht mit allen Akteuren teilen wir Werte wie Demokratie und unser Verständnis von Menschenrechten. Aber wir sind auf Zusammenarbeit angewiesen. Klimawandel, der Verlust von Biodiversität, Handelsmöglichkeiten und gesellschaftliche Ideen sind von nationalen Grenzen weitgehend unbeeindruckt. Gemeinsame Wissenskooperation ist notwendig, aber auch Erfahrungsaustausch über unsere jeweiligen Nachhaltigkeitsstrategien oder unsere jeweiligen Bewertungen der internationalen Kooperationserfahrungen.

Wir sollten uns nicht als Finanziers sehen, sondern sprechen hier über gemeinsames Wissen. Jenseits der Staaten müssen wir uns auch austauschen mit nichtstaatlichen Akteuren wie entwicklungspolitischen Netzwerken in den aufstrebenden Mächten, um in Bereichen mit strittigen Bewertungen einen gemeinsamen Blick auf Weltprobleme entstehen zu lassen.

Photo: Sven Grimm is Co-Head of the Research Programme “Inter- and Transnational Cooperation” at the German Institute of Development and Sustainability (IDOS).

Sven Grimm is Co-Head of the Research Programme “Inter- and Transnational Cooperation” at the German Institute of Development and Sustainability (IDOS).

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