Herausforderungen für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit

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Langfristige und kurzfristige EZ verbinden

Die Verabschiedung der Agenda 2030 und des Pariser Klimaabkommens sowie die globale Flüchtlingskrise haben die deutsche Entwicklungszusammenarbeit vor neue Herausforderungen gestellt. Sie muss ihren Platz zwischen Global Governance und Nothilfe finden und noch stärker Teil einer umfassenden Agenda der Bundesregierung werden. Eine weitere Herausforderung ist der absehbare Rückgang der Zahl der ODA-fähigen Länder, der u.a. die Frage nach den Möglichkeiten einer projektbasierten Zusammenarbeit mit nicht ODA-fähigen Ländern aufwirft.

 

Zwei Entwicklungen im vergangenen Jahr haben die Ausrichtung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit entscheidend geprägt und neue Herausforderungen mit sich gebracht:

Agenda 2030 und internationale Aufstellung der Bundesressorts

Mit ihrer globalen Gültigkeit bzw. Universalität, ihrem integrativen und transformativen Ansatz nachhaltiger Entwicklung und ihrem umfassenden Zielsystem hat die Agenda 2030 einen neuen Rahmen nicht nur für die Entwicklungszusammenarbeit (EZ), sondern für die gesamte internationale Zusammenarbeit (IZ) für nachhaltige Entwicklung geschaffen. Waren die bis 2015 gültigen Millennium Development Goals (MDGs) noch Ziele, die mit Unterstützung der EZ in den Entwicklungs- und Schwellenländern umgesetzt wurden, gelten im Unterschied dazu die Sustainable Development Goals (SDGs) der Agenda 2030 für alle Staaten und erfordern in jedem Land der Welt Veränderungen und Entwicklungen. Außerdem trägt die Agenda 2030 zu einer verstärkten internationalen Aufstellung der Bundesressorts bei.

Globale Flüchtlingskrise und Rolle der EZ

Die globale Flüchtlingskrise hat den Stellenwert der EZ in der Wahrnehmung von Politik und Öffentlichkeit deutlich erhöht. Die Zunahme von Fragilität und gewaltsamen Konflikten sowie daraus resultierenden Fluchtbewegungen – auch nach Europa und Deutschland – hat zu einem starken Ausbau des Engagements der EZ gerade auch in fragilen Kontexten geführt. Der große Mittelaufwuchs für die deutsche EZ, insbesondere für die Übergangshilfe (Krisen-bewältigung und Wiederaufbau, Infrastruktur) und die Sonderinitiative „Fluchtursachen bekämpfen, Flüchtlinge reintegrieren“, hat zum höchsten BMZ-Haushalt der Geschichte geführt. Außerdem gab es auch deutlich mehr Mittel für die humanitäre Hilfe des Auswärtigen Amtes (AA).

Im Kontext der Flüchtlingskrise und des Mittelaufwuchses bei BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und AA hat der Einfluss von innen-, sicherheits- und außenpolitischen Motivationen und Erwägungen auf die EZ deutlich zugenommen. Die zumindest implizite Erwartung an die GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) und andere Durchführungsorganisationen ist, dass die Bekämpfung der Fluchtursachen und die Unterstützung der Flüchtlinge in den Herkunfts-, Aufnahme- und Transitländern zur Stabilisierung der Situation in den Partnerländern und zur Reduzierung der Zahl der Flüchtlinge nach Europa und Deutschland führen. Stabilität ist neben Nachhaltigkeit zu einem zentralen Ziel für die Entwicklungspolitik geworden.

Die EZ wird zukünftig verstärkt auf die Erwartungen von Politik und Öffentlichkeit nach größerer Wirksamkeit, Effizienz und Sichtbarkeit sowie erhöhter Flexibilität und Schnelligkeit ihrer Maßnahmen reagieren müssen. Dazu muss die Frage beantwortet werden können, welche entwicklungstheoretischen Ansätze sich im Rahmen der EZ bewährt haben.

EZ zwischen Nothilfe und Global Governance

Politische und ökonomische Stabilisierung und der Erhalt globaler öffentlicher Güter dienen sowohl den Interessen von Partner- als auch von Geberländern und erfordern ein Zusammenwirken von Entwicklungs-, Innen-, Wirtschafts-, Außen- und Sicherheitspolitik. Auch für Deutschland stellt sich die Frage, welche Rolle das Politikfeld EZ zukünftig in einem verstärkten „whole of government approach“ wie z.B. in Großbritannien spielen könnte, wo u.a. ein ressortübergreifender „Conflict, Stability and Security Fund“ aufgesetzt wurde, der EZ-Mittel und andere Haushaltsmittel mischt. Auf jeden Fall erhöhen „whole of government“-Ansätze wie z.B. die ressortübergreifenden Regierungskonsultationen mit China den Druck, EZ zum Bestandteil einer umfassenden Agenda der Bundesregierung zu machen und die Politikkohärenz zu verbessern.

Bei der Umsetzung der Agenda 2030 und des Pariser Klimaabkommens sowie der Bekämpfung der Fluchtursachen und der Unterstützung von Flüchtlingen muss die EZ ihren Platz zwischen Global Governance auf der einen und Nothilfe auf der anderen Seite finden. Sie muss Ansätze entwickeln, wie sie kurzfristig orientierte Not- und Übergangshilfe mit langfristig orientierter EZ verknüpft, um auch zur Unterstützung von Veränderungsprozessen und Strukturreformen in den Partnerländern und zum Erhalt globaler öffentlicher Güter beitragen zu können.

Rückgang der Zahl der ODA-fähigen Länder und projektbasierte Zusammenarbeit mit nicht ODA-fähigen Ländern

Eine weitere zukünftige Herausforderung für die EZ ist der deutliche Rückgang der Zahl der ODA (Official Development Assistance)-fähigen Länder bis 2030, wie er von der OECD prognostiziert wird. Der deutliche Rückgang der Zahl der ODA-fähigen Länder wird für die auf EZ fokussierten Institutionen (z.B. für das BMZ) erhebliche Probleme aufwerfen. Selbst wenn die deutliche Reduzierung der Anzahl der ODA-fähigen Länder nicht zu einem Rückgang der ODA-Mittel führen sollte, stellen sich bei der Konzentration der Mittelallokation auf eine geringere Zahl von Least Developed Countries (LDCs) und fragilen Staaten Fragen der Absorptionsfähigkeit und der sinnvollen Mittelverwendung. Es droht ein Bedeutungsverlust der EZ, die im Kern auf dem durch ODA finanzierten Transfer von Mitteln und Know-how zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung in den Partnerländern beruht.

Auch für die GIZ sind die Reduzierung der Anzahl der ODA-fähigen Länder und die daraus folgende Konzentration der EZ auf LDCs und fragile Staaten (v.a. in Afrika) durchaus eine Herausforderung. Zwar geht ihr Mandat mit der Ausrichtung auf IZ für nachhaltige Entwicklung (Gesellschaftszweck der GIZ) deutlich über die EZ hinaus, aber die Finanzierung durch ODA-Mittel mit dem BMZ als Hauptauftraggeber wird noch auf absehbare Zeit das Geschäftsmodell der GIZ bestimmen. Immerhin ist die GIZ mit ihrem Gesellschaftszweck sehr anschlussfähig an die Agenda 2030. Allerdings gibt es auch hier das Problem, dass sich die EZ auf die ODA-fähigen Länder beschränken muss und oft die öffentliche Legitimation für eine intensive projektbasierte Zusammenarbeit mit nicht ODA-fähigen Ländern fehlt, trotz der wichtigen Rolle der Schwellenländer beim Erhalt globaler öffentlicher Güter und bei den anderen Herausforderungen, wie sie in der Agenda 2030 beschrieben werden. Zu klären ist hier sowohl, ob das BMZ in der Kooperation mit nicht ODA-fähigen Ländern eine Rolle spielen kann (z.B. über Regional- und Globalvorhaben oder Formate wie die Dreieckskooperation), als auch, welche Ressourcen und Mittel für diese Kooperation von anderen Bundesressorts – jenseits von ODA – im Zuge ihrer zunehmenden internationalen Aufstellung bereitgestellt werden können.

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Thorsten Giehler ist Leiter der Gruppe Strategie und Politik in der Stabsstelle Unterneh-mensentwicklung der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH. Zuvor war er für die GIZ zum Thema Finanzsektorreform in China tätig und für die FAO in Rom.

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Michael Krempin ist Senior Policy Berater in der Stabsstelle Unternehmensentwicklung der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH und arbeitet u.a. zu den Themen Umfeldanalyse und Zukunft der EZ.

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