Die Welt wartet nicht auf uns. Mit unseren entwicklungspolitischen Ansätzen aus den vergangenen Jahrzehnten werden wir die Auswirkungen von Bevölkerungswachstum, Klimawandel, Ressourcenverknappung und staatlichem Zerfall nicht in den Griff bekommen. Wir müssen den Mut haben, unser Handeln zu konzentrieren, um in Schlüsselländern und –Sektoren den Unterschied auszumachen. Eine fokussiertere und unideologischere Entwicklungspolitik ist daher dringender denn je.
Entwicklungspolitik muss bereits heute Antworten für die Zukunft geben. Die Kräfte der Globalisierung nehmen zu, wir werden sie noch stärker mitgestalten müssen als bisher. Die Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) sind dafür neben den Klimaschutzzielen die zentralen Leitplanken. Nicht zuletzt durch die Flüchtlingskrise erkennt die Gesellschaft, wie sehr unser Land von dem abhängt, was in anderen Ländern geschieht. Digitalisierung und Globalisierung schaffen eine nie dagewesene Mobilität auch über Kontinente hinweg. Daher liegt es sowohl in unserer Verantwortung als auch in unserem Interesse, vor allem Afrika in den Fokus zu rücken. Die Bevölkerungszahl unseres Nachbarkontinents wird sich bis 2050 auf über zwei Milliarden Menschen verdoppeln. Hohe Geburtenraten und niedriges Wirtschaftswachstum, bei dem kaum Arbeitsplätze entstehen, führen gerade in Subsahara-Afrika zu staatlicher Fragilität und Migrationsdruck.
Der Weg über das Mittelmeer
Die Folgen sehen wir schon heute: Tausende von Menschen nehmen mit der abstrakten Hoffnung auf ein besseres Leben den gefährlichen Weg über das Mittelmeer nach Europa auf sich. Diese Tendenz wird sich noch verstärken. Für diese Herausforderungen brauchen wir politisch eine Antwort.
Die zentrale Frage ist: Gelingt es, in Afrika ein stärkeres Wirtschaftswachstum, insbesondere durch die Privatwirtschaft, zu generieren? Nur mit einer echten Lebensperspektive vor Ort kann der Migrationsdruck sinken.
Dafür müssen wir unsere entwicklungspolitischen Instrumente kritisch auf den Prüfstand stellen. Entwicklungspolitik mit der Gießkanne hat dauerhaft keinen Erfolg. Wir müssen uns auf Schlüsselstaaten und Schlüsselsektoren konzentrieren, wo gerade unser Engagement den Unterschied ausmachen kann. Denn machen wir uns nichts vor: Wir sind nur einer von vielen Akteuren. Entscheidend für Entwicklung werden das Verhalten der Regierungen der Partnerländer sein, aber auch die Absprachen zwischen den Gebern und die Effektivität der eingesetzten Instrumente sein. Wir sollten unsere Möglichkeiten und unseren Einfluss nicht überschätzen, aber uns auch nicht kleiner machen, als wir sind. Was heißt das konkret?
Schlüsselländer und -sektoren
Wir müssen mehr für die Stabilisierung von Schlüsselländern des afrikanischen Kontinents und den Aufbau selbsttragender Privatwirtschaften tun. Dafür haben wir verschiedene Hebel. Wir müssen an die Schlüsselstrukturen ran – beispielsweise das Handelsrecht. In den nächsten Jahren schließen wir WTO-konforme Handelsabkommen ab, die sowohl den Handel zwischen Afrika und der EU erleichtern, als auch Schranken und Befindlichkeiten beim innerafrikanischen Handel abbauen. Handel generiert im Kleinen wie im Großen Arbeitsplätze, Wirtschaftskraft und Wohlstand.
Voraussetzung für grenzüberschreitenden Handel und langfristiges, nachhaltiges Wirtschaftswachstum ist die gute Regierungsführung unserer Partnerländer, in die wir mehr investieren müssen. Gerade in dieser Frage gibt es auf unserem Nachbarkontinent eine gemischte Bilanz. Wir müssen ideologiefrei Neues ausprobieren – beispielsweise stärker föderative Ansätze im Staatsaufbau in Subsahara-Afrika anregen und unterstützen. Gerade in strukturschwachen Ländern könnte so die Legitimation und die Leistungsfähigkeit von Regierungshandeln gestärkt werden.
Entwicklungszusammenarbeit allein hilft nicht
Dieser politisch-wirtschaftliche Ansatz muss einhergehen mit dem Aufbau von Wertschöpfungsketten und der Verbreiterung der Steuerbasis – dem hoffentlich neuen Markenkernen deutscher Entwicklungszusammenarbeit. Dazu gehört auch eine bessere Einbindung und Zusammenarbeit mit der deutschen Wirtschaft. Staatliche Entwicklungszusammenarbeit allein kann die Probleme vor Ort nicht bewältigen. Selbst eine Verdoppelung der weltweiten öffentlichen Entwicklungsgelder würde nicht ausreichen, um alle SDG-Ziele zu erreichen. Andere Hebel haben einen wesentlich größeren Einfluss auf die Entwicklung von Ländern. Denken Sie zum Beispiel nur an die Rücküberweisungen, Zölle, Steuern, Gebühren oder Einnahmen aus Bodenschätzen. Doch Rohstoffe sind gerade in Afrika zu oft Fluch und nicht Segen. Wir müssen die Partnerländer dabei stärker unterstützen, ihren immensen Rohstoffreichtum nachhaltiger und zum Wohle breiter Bevölkerungsschichten zu nutzen und auch eigene Wertschöpfungsketten aufzubauen. Nur dadurch entstehen Arbeitsplätze und Steuereinnahmen als Voraussetzung für selbsttragende, prosperierende Volkswirtschaften.
Mut zur Konzentration
Das sind aus meiner Sicht die wichtigsten Herausforderungen und Schwerpunkte der zukünftigen Entwicklungszusammenarbeit. Unsere Partnerländer stehen vor enormen Herausforderungen. Auch wir müssen uns kritisch hinterfragen und diskutieren, worauf wir unsere Entwicklungszusammenarbeit konzentrieren wollen. Mit den drei Sonderinitiativen des Entwicklungsministeriums haben wir regionale und sektorale Schwerpunkte setzen können. Ich glaube, in Zukunft werden wir über derartige Verfahren noch besser und zielgerichteter Schwerpunkte setzen können und müssen, um die Globalisierung positiv mitzugestalten. Die Welt wartet nicht auf uns. Mit Ansätzen aus den vergangenen Jahrzehnten werden wir die Auswirkungen von Bevölkerungswachstum, Klimawandel, Ressourcenverknappung und staatlichem Zerfall nicht in den Griff bekommen. Wir müssen den Mut haben, unser entwicklungspolitisches Handeln zu konzentrieren, um in Schlüsselländern und –Sektoren den Unterschied auszumachen. Eine fokussiertere und unideologischere Entwicklungspolitik ist daher dringender denn je.