Im November soll in Abidjan der nächste EU-Afrika-Gipfel stattfinden. Dieser braucht eine Vision des friedlichen und legalen Mit- und Füreinander. Das kann nur der Aufbau einer selbsttragenden Wirtschaftsentwicklung in Afrika sein. Die Entwicklungszusammenarbeit hat dabei eine katalytische Funktion, entscheidend sind aber Privatinvestitionen. Hier ist es empfehlenswert sich selber zu befragen: Was können und sollen wir ändern, was im beiderseitigen Interesse liegt? Als Beispiel sollen die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU mit Afrikanischen Ländern bzw. Ländergruppen genannt werden.
Das Schicksal Europas ist eng verbunden mit dem unseres Nachbarkontinents
„Das Wohl Afrikas liegt im Interesse Deutschlands und Europas.“ So hat es Bundeskanzlerin Angela Merkle am 11. Oktober 2016 bei der Einweihung des von Deutschland finanzierten Gebäudes für den afrikanischen Friedens- und Sicherheitsrat in Addis Abeba formuliert.
Im November soll in Abidjan der nächste EU-Afrika-Gipfel stattfinden. Nordafrika gehört nicht nur geographisch zum afrikanischen Kontinent, sondern auch in der Vision 2063 der Afrikanischen Union (AU), die sich die afrikanischen Staats- und Regierungschefs selbst gegeben haben. Es ist ihr Selbstverständnis, spätestens dann die „Vereinigten Staaten von Afrika“ zu gründen. Für Europa heißt das, nicht über 2020 an einem „Post-Cotonou“ Vertrag, einem Beschluss mit einer international wenig relevanten Gruppe aus den Ländern Subsahara-Afrikas, der Karibik und dem Pazifik (AKP), festzuhalten, auch wenn unsere französischen Nachbarn das wollen. Vielmehr brauchen Europa und ganz Afrika einen eigenen, neuen und auf unsere konkreten Chancen und Herausforderungen zugeschnittenen „Vertrag der guten Nachbarschaft“. Die Erarbeitung sollte auf dem Gipfel nächstes Jahr beauftragt werden, damit klar wird, dass es beiden Seiten mit der Zusammenarbeit ernst ist. Der Gipfel braucht eine positive Botschaft, ja eine Vision des friedlichen und legalen Mit- und Füreinander. Das kann aus meiner Sicht nur der Aufbau einer selbsttragenden Wirtschaftsentwicklung in Afrika sein. Die Entwicklungszusammenarbeit hat dabei eine katalytische Funktion, entscheidend sind aber Privatinvestitionen.
Anders sah die Situation noch beim letzten Gipfel im April 2014 in Brüssel aus, wo man nach etwas liebloser Vorbereitung noch schnell das gemeinsame Sicherheitsinteresse in den Mittelpunkt stellte, um nicht über Flucht und Migration reden zu müssen. Und auch anders als bei der Vorbereitung des Valletta-Gipfels zu Migration und Flüchtlingen im November 2015, sollten sich beide Seiten nicht bei den ziemlich unrealistischen Forderungen nach der Rücknahme illegaler Migranten oder der Forderung nach legaler Migration verhaken. Das seit einem Jahr offensichtlich immer „mitlaufende“ Thema Migration und Flucht aus Afrika nach Europa wird uns aber über Jahrzehnte noch begleiten.
Was folgt aus dieser Erkenntnis konkret?
Statt die Diskussion mit Forderungen an andere zu beginnen, ist es besser, sich selber zu befragen: Was können und sollen wir ändern, was im beiderseitigen Interesse liegt? Deshalb will ich ein Beispiel nennen: die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU mit Afrikanischen Ländern bzw. Ländergruppen (sog. EPAs, Economic Partnership Agreements). Ohne hier genauer den aktuellen Stand zu referieren (nicht einmal für eine einzige relevante Regionalgruppe existieren nach 14 Jahren Verhandlungen alle Unterschriften bzw. Ratifizierungsurkunden) möchte ich auf ein grundsätzliches Problem aufmerksam machen. Alle sind überzeugt, in Afrika müssen private Firmen aus Afrika, aber auch aus Europa mehr investieren, denn nur so entstehen Arbeitsplätze und Perspektiven für die Menschen in ihren Heimatländern. Die EPAs regeln in großzügiger Nicht-Ganz-Reziprozität 100%ige Marktöffnung der EU für Güter aus allen afrikanischen Staaten der jeweiligen Regionalgruppe, nicht nur für die ärmeren Länder (Least Developed Countries, LDCs), die dies ohnehin genießen. Im Gegenzug sollen die afrikanischen Staaten für 80% der Produkte aus Europa Marktzugang in Afrika gewähren, zugegeben mit langen Übergansfristen und eben der Möglichkeit, ca. 20% der eigenen Waren (in der Regel Agrarprodukte) dauerhaft zu schützen. Viele halten das Durchdrücken der auf Reziprozität beruhenden WTO-Regeln- man kann auch sagen: eine etwas in die Jahre gekommenen WTO-Ideologie – durch die EU-Generaldirektion Handel (DG Trade) in Brüssel für Erpressung; nicht nur in Afrika.
Eine wichtige Option für Afrika!
Auch weil es sich um komplizierte Handelsfragen handelt, ist in den vielen Jahren relativ wenig von den Entwicklungswissenschaften oder Instituten wie dem Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) hierzu zu hören gewesen. Meist wird gemeinsam mit der Zivilgesellschaft am grundsätzlichen Problem vorbei argumentiert. Da es sich um gemischte und keine Freihandelsabkommen handelt, beschränkt man sich dann auf Forderungen, die Menschenrechtsstandards und Umwelt- und Sozialklauseln zu verbessern. Davon allerdings sind die afrikanischen Verhandlungspartner wenig begeistert, denn Ökonomen sehen sehr wohl, wie hierdurch der Wettbewerb eingeschränkt wird. Sollte also eines von diesen EPAs im Deutschen Bundestag diskutiert werden, befürchte ich, wird es nicht um mehr Arbeitsplätze in Afrika gehen, sondern viele Abgeordnete, vor allem aus dem linken Spektrum, werden die reine Lehre und ihr Klientel vertreten und nur so tun, als diene das der afrikanischen Bevölkerung. Inwiefern das mit Migration nach Europa verbunden ist, wird eher untergehen. Die besagten Standards können aber auch für die afrikaweite Freihandelszone (Continental Free Trade Area, CFTA) vereinbart werden. Die will die Afrikanische Union in relativ kurzer Zeit selber schaffen; das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und die EU unterstützen dies mit konkreten Programmen.
Rein systemisch argumentiert: Warum sollte also Europa ein politisches Interesse haben, Waren zollfrei nach Afrika zu exportieren, wenn es doch darum geht, in Afrika zu produzieren, was dort produziert werden kann. Es ist doch auch für uns besser, wenn dort viele Waren hergestellt werden, auch wenn sie aufgrund der höheren Lohnstückkosten noch nicht oder selbst in zwanzig Jahren nicht auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig sind. Firmen, die investieren wollen, sind an einem großen Markt interessiert. Die CFTA und die bereits existierende Zollunion in Ostafrika oder im südlichen Afrika voranzutreiben, ist für alle sinnvoll. Nur behalten hierbei die afrikanischen Staatschefs und die AU-Kommission in Addis die Kontrolle über den Außenzoll und geben diese Entscheidungsmöglichkeit nicht für 80% der Importe aus Europa auf. Es wäre eine wichtige Option mehr für unseren Nachbarkontinent! Uns kostet das weniger als die EPAs zu implementieren. Was es braucht ist Ideologieverzicht bei der EU-Kommission in Brüssel und die Offenheit, in der derzeitigen (Migrations-)Situation neu nachzudenken, selbst wenn man gern nach zähen Verhandlungen die ersten Erfolge feiern will.
Ein Weg in eine andere Richtung
Für den Gipfel 2017 wäre es ein großes Entgegenkommen, ein Vertrauensbeweis, wenn die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten für zehn plus zehn Jahre ein EPAs-Moratorium anböten und wir dafür gemeinsam den größeren Markt in Afrika vorantrieben, Infrastruktur finanzierten, Bildungsangebote machten und Know-how und Investitionsgarantien wie im External Investment Plan der EU bereitstellten, also den Weg in eine etwas andere Richtung gemeinsam weitergingen.
Um die Diskussion zu eröffnen, lassen Sie mich mit einem doppeldeutigen Klassiker (des Fußballtrainers Giovanni Trapattoni) und nun bezogen auf die EPA-Verhandlungen enden: Was erlauben DG Trade?
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